Rz. 1

Das im Vordergrund stehende Risiko der an der Erbringung und Entgegennahme von Bauleistungen Beteiligten ergibt sich aus den Gefahrtragungsregeln von BGB und VOB/B. Sowohl die Bestimmung des § 644 BGB, wonach der Unternehmer die Leistungsgefahr bis zur Abnahme trägt, wie die Regelung der Vergütungsgefahr, die Regelungsinhalt des § 7 VOB/B ist,[1] begründen für die Beteiligten des Baurechtsverhältnisses erhebliche Gefahren. Ausgehend von der Erfolgsbezogenheit des werkvertraglichen Erfolgsversprechens in § 631 BGB geht die gesetzliche Gefahr­tragungsregel in § 644 BGB davon aus, das bis zur vollständigen Erfüllung des Werkvertrags, die in der Abnahme der Werkleistung gesehen wird, der Werkunternehmer sowohl die Leistungs-wie die Vergütungsgefahr trägt.[2] Geht das ganz oder teilweise fertiggestellte Bauwerk aus Gründen, die keine der Vertragsparteien zu vertreten hat, unter, oder wird es verschlechtert, stellt sich anhand der Verteilung der Leistungsgefahr die Frage, ob der Unternehmer das zerstörte oder verschlechterte Werk – erneut – und auf seine Kosten herstellen muss. Nach § 644 BGB trägt der Unternehmer die Gefahr bis zur Abnahme des Bauwerks. Die Vorverlegung dieses Zeitpunkts in § 7 VOB/B, der bestimmt, dass soweit vor der Abnahme durch Gewalt, Krieg, Aufruhr oder andere unabwendbare Umstände der Untergang oder die Verschlechterung der erbrachten Leistung erfolgt, die Vergütungsgefahr auf den Besteller übergeht,[3] betrifft nur Sonderfälle, nicht aber die Mehrzahl der Verteilungssituationen von Leistungs- und Vergütungsgefahr. Da der Werkunternehmer die Herbeiführung des werkvertraglichen Erfolges schuldet, ist dies grundsätzlich anzunehmen. Das damit verbundene hohe Risiko des Werkunternehmers, die gleiche Leistung bei ­Untergang oder Verschlechterung des Bauwerks doppelt – gegen nur einmalige Vergütung – erbringen zu müssen, wird allerdings materiell-rechtlich dadurch vermindert, dass durch gesetzliche Regelungen und durch vertragliche Abmachungen ein Übergang der Gefahr vor der Abnahme oder unabhängig von ihr bestimmt wird. Gesetzlich wird ein Übergang der Gefahr bei einem Annahmeverzug des Auftraggebers damit unabhängig von einer Abnahme in § 644 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt. Geht das Bauwerk vor der Abnahme aufgrund eines Mangels des vom Auftraggeber gelieferten Stoffes unter, findet nach § 645 Abs. 1 S. 1 BGB ein Gefahrübergang unabhängig von der Abnahme statt. Insbesondere bei fehlerhaftem Baugrund wird diese abweichende Gefahrtragungsregel bedeutsam.[4]

 

Rz. 2

Geht in diesen Ausnahmefällen die Gefahr bereits vor der Abnahme auf den Auftraggeber über, betrifft dies zum einen die Leistungsgefahr des Auftragnehmers, der damit nicht mehr verpflichtet ist, das Werk auf seine Kosten erneut herzustellen. Vergütungs- und Leistungsgefahr fallen nur dann zusammen, wenn dem Auftragnehmer zum einen die Vergütung für die untergegangene oder verschlechterte Leistung entgeht, er aber dennoch verpflichtet bleibt, die Leistung erneut zu erbringen.[5] Geht in den Fällen der §§ 644 Abs. 1 S. 2, 645 Abs. 1 S. 1 BGB die Gefahr – vor der Abnahme – über, hat dies für den Auftraggeber die Konsequenz, dass er die Vergütung zu zahlen hat und auch nicht die Neuherstellung des einwandfreien Werkes ohne Vergütung verlangen kann. Gesteigert wird das Risiko des Bestellers dann, wenn unter Zugrundelegung der sog. Sphärentheorie (§ 645 BGB analog) ein Übergang der Vergütungsgefahr zu Lasten des Bestellers dann angenommen wird, wenn der Besteller vor der Abnahme Leistungshindernisse aus seinem Ge­fahrenbereich gesetzt hat. Hatte er etwa den Hochwasserschutz eines noch nicht fertiggestellten Bauwerks durch ihm zuzurechnende Maßnahmen seines Architekten gefahrträchtig herabgesetzt und kam es dadurch zu einem Untergang des Bauwerks, nimmt der BGH an, dass § 645 BGB ­analog auf die Fälle anzuwenden sei, in denen Leistungen des Auftragnehmers aus Umständen untergingen oder unmöglich werden, die in der Person des Auftraggebers liegen oder auf dessen Handlungen zurückgehen.[6] Diese erweiterte Heranziehung des § 645 BGB entspricht einer Rechtsprechungslinie verwandter Konstellationen. So ging der BGH von einem Übergang der Vergütungsgefahr und dem Entfallen des Neuherstellungsanspruchs trotz fehlender Abnahme davon aus, wenn der Besteller das Risiko des Untergangs einer Bauleistung sachwidrig dadurch gesteigert hatte, dass er in eine noch nicht fertiggestellte Scheune Heu einbrachte, das sich aufgrund von Schweißarbeiten, die der Besteller in Auftrag gegeben hatte, entzündete und das Bauwerk dadurch in Brand gesetzt wurde.[7] Den Sphärengedanken zur Vorverlegung des Gefahrübergangs zog das OLG München heran, als es um die Vergütung des Bauunternehmers ging, weil es aus Gründen, die in der Person des Bauherrn lagen, dem ihn beauftragenden Generalunternehmer nicht möglich war, das Baugrundstück zur Verfügung zu stellen.[8]

 

Rz. 3

Die Regelung des vorzeitigen Übergangs der Vergütungsgefahr auf den Auftraggeber in den in § 7 Nr. 1 VOB/B ge...

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