Rz. 12

ABN 2011 und ABU 2011 treffen in den jeweiligen Abschnitten A unter § 1 eine Bestimmung zu den versicherten Sachen, den zusätzlich versicherbaren Sachen und den nicht versicherten Sachen. Diese Umschreibungen sind jedoch nur dann verbindlich, wenn die Vertragsparteien keine abweichende Bestimmungen über den Katalog der versicherten Sachen getroffen haben, die der in den AVB aufgeführten Regelung wegen des Vorrangs der Individualabrede gemäß § 305b BGB vorgeht.[40] Die folgende Darstellung geht zunächst von den in den ABU und ABN getroffenen Regelungen aus und erörtert sodann in der Praxis verbreitete, hiervon abweichende Regelungen. Die in den ABN getroffene Bestimmung der versicherten Sachen mit Lieferungen und Leistungen für das Bauvorhaben und die in den ABU vorgenommene Definition mit Baustoffen, Bauteilen und Bauleistung lassen als zentralen Begriff der versicherten Sachen die Bauleistung erkennen. Das stellt keine überraschende Abweichung von juristischer Begriffsbestimmung dar, da die Bauleistung ja keine verkörperte Sache ist. Mit der Verwendung des Begriffs der Bauleistung bestimmen die Bedingungswerke nicht die auf die Herbeiführung eines Erfolgs gerichtete Werkleistung des Auftragnehmers, sondern das "Bauwerk im Entstehungsstadium",[41] damit die Verkörperung der Tätigkeit des Auftragnehmers, was die Bezeichnung der Bauleistung als versicherte Sache rechtfertigt.

 

Rz. 13

Für das Verständnis des Begriffs der Bauleistung in den ABN und ABU kann die im materiellen Baurecht zu § 7 VOB/B entwickelte Definition nicht herangezogen werden. Entsprechend der Einordnung des Werkvertrags als erfolgsbezogenem Vertrag erfasst dieser in diesem Zusammenhang lediglich in die Bausubstanz eingehende Leistungen, schließt damit alle Vorarbeiten, Schutzmaßnahmen, die Einrichtung der Baustelle und die Lagerung der Baustoffe aus.[42] Mit diesem engen Verständnis der geschützten Sachen wäre den Versicherungsnehmern in der ABN und ABU nicht gedient, die einen Schutz gegen die Reparatur- und Neuherstellungskosten von beschädigten oder zerstörten Bauwerken erwarten, zu deren Vornahme auch die Vorbereitungs- und Begleitkosten der dann erforderlichen Begleitmaßnahmen gehören. Damit lehnt sich der Begriff der Bauleistungen an den in § 1 VOB/A enthaltenen weiten Bauleistungsbegriff an, der in freilich völlig verschiedenem Zusammenhang Bauleistungen als Arbeiten jeder Art umschreibt, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instandgehalten, geändert oder beseitigt wird.[43]

Diese Umschreibung des Begriffs der versicherten Bauleistung in den ABN und ABU ist in einer Entscheidung des BGH zur Einbeziehung einer Wasserhaltungsanlage beim Bau einer U-Bahn entwickelt worden.[44] Der versicherte Unternehmer hatte in dem Bauvertrag die Verpflichtung übernommen, das Grundwasser abzusenken und diese Wasserhaltungsanlage während der Bauzeit zu überwachen. Der BGH ließ es offen, ob die Wasserhaltungsanlage der "unmittelbaren" Herstellung des Bauwerks diente, da die Herstellung der Wasserhaltungsanlage jedenfalls eine mitversicherte Nebenarbeit war.[45] Hätte der BGH eine Deckung des Sachrisikos "Wasserhaltung" in der Bauleistungsversicherung verneint, hätte eine Deckung nur in einer Geräteversicherung erfolgen müssen.

Das weite Verständnis des Bereichs der Bauleistungsversicherung entspricht allein dem Zweck der Bauleistungsversicherung, alle ggf. wegen eines fehlenden Gefahrübergangs auf den Besteller oder wegen vorzeitigen Übergangs der Vergütungsgefahr auf den Besteller entstehenden Risiken abzudecken. Das ist nur dann der Fall, wenn der Schutz des versicherten Unternehmers oder des beschädigten Bauherrn soweit reicht, dass sie keine finanziellen Nachteile aus der Reparatur, Neuherstellung oder Fertigstellung des Bauvorhabens erleiden.[46]

 

Rz. 14

Dieser Aufgabe der Bauleistungsversicherung entspricht in den ABU 2011, Abschnitt B § 1 die Erwähnung von Baustoffen und Bauteilen neben den Bauleistungen als versicherte Sachen. Umfassender formuliert, aber inhaltlich gleichbedeutend werden in den ABN als versicherte Sachen das im Versicherungsvertrag bezeichnete Bauvorhaben bezeichnet, was jedenfalls Baustoffe, Bauteile, Hilfsbauten und Bauhilfsstoffe erfasst. Der gegenüber der Umschreibung in § 1 ABN 2011 umfassende Begriff des Bauvorhabens in § 1 ABU 2011 bezieht sich auf jedes Bauvorhaben, sofern es im Versicherungsvertrag in dieser Hinsicht bezeichnet wird.[47] Der weite Deckungsbereich der ABU 2011 hat zur Folge, dass Ingenieurbauten, Brücken, Silos, Türme und Tunnel, der Rohbau und Leistungen des Baunebengewerbes als versicherte Bauvorhaben anzusehen sind.[48] Das weite Verständnis der versicherten Bauleistung in § 1 ABU 2011 hat die weitere Konsequenz, dass auch die erforderlichen sonstigen Vorbereitungs-Hilfstätigkeiten wie die Vermessung der Baugrube, die Aushebung der Baugrube und die Baureinigung als versicherte Sachen anzusehen sind.[49] Auch die Einrichtung der Baustelle ist eine versicherte Bauleistung, wobei allerdings zu be...

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