Dr. Claus-Henrik Horn, Dr. iur. Claus-Peter Bienert
Rz. 75
Die Schutzvorschriften der §§ 2115, 2214 BGB gelten auch im Insolvenzverfahren. Die Vorerbschaft fällt aber in die Insolvenzmasse des Vorerben (§ 35 InsO); dem Nacherben steht kein Aussonderungsrecht zu. Das Verfügungsrecht ist aber durch § 2115 BGB beschränkt.
Rz. 76
Da der verschuldete Erbe als Vorerbe grundsätzlich keine Zugriffsmöglichkeit auf das Nachlassvermögen hat, kann ihm im Hinblick auf die Restschuldbefreiung und der damit verbundenen Herausgabeobliegenheit auch keine Obliegenheitsverletzung vorgeworfen werden. Schwierigkeiten können hier allerdings dann entstehen, wenn der verschuldete Erbe nur Miterbe ist. In diesem Fall kann er, auch bei bestehender Testamentsvollstreckung, über den Anteil grundsätzlich verfügen, so dass eine Herausgabe an den Treuhänder gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Betracht kommt.Damrau schlägt im Hinblick auf dieses unterschiedliche Ergebnis zwischen Allein- und Miterbe daher vor, im Falle eines überschuldeten Erben diesen zum Alleinerben (Vorerben) einzusetzen. Die übrigen Bedachten sind dann durch Vermächtniszuwendungen zu bedenken.
Rz. 77
Ein Schuldner, der einem Insolvenzverfahren unterliegt, kann eine vor oder während des Verfahrens anfallende Erbschaft oder ein Vermächtnis ausschlagen (§ 83 Abs. 1 S. 1 InsO). Als höchstpersönliche Entscheidung ist die Erklärung der Ausschlagung nicht anfechtbar. Aufgrund einer Ausschlagung kann einem Schuldner auch nicht die Restschuldbefreiung versagt werden. Die Herausgabeobliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO betrifft nur den angenommenen Erwerb.
Krauß spricht ein Vermächtnis an, das der Berechtigte während laufendem Insolvenzverfahren weder annimmt noch ausschlägt. Die gesetzliche Verjährung von drei Jahren kann testamentarisch verlängert werden, etwa indem der beschwerte Erbe mit einer Auflage i.S.d. § 1940 BGB belastet wird, sich nicht auf Verjährung zu berufen. Erst nach der Gewährung der Restschuldbefreiung nimmt der vorherige Insolvenzschuldner das Vermächtnis an. Zu einer Nachtragsverteilung gemäß § 203 InsO wird es dann nicht kommen, da die Annahme des Vermächtnisses nicht zurückwirkt. Daher war vor der Vermächtnisannahme kein Vermögenswert vorhanden. Anders bei einem Pflichtteilsanspruch und einer Erbschaft: Ein nachträglich geltend gemachter Pflichtteilsanspruch bzw. die nachträgliche Anfechtung der Ausschlagung des Erbes wirkt zurück, so dass dann mit einer Nachtragsverteilung zu rechnen ist. Gleiches gilt auch bei einem bedingten bzw. befristeten Vermächtnis (§§ 2179, 161 BGB). Dieses kann zunächst gepfändet werden ("Vermächtnisanwartschaftsrecht"); bei Bedingungs- oder Befristungseintritt liegen die Voraussetzungen zur Nachtragsverteilung vor (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO).