Rz. 60

Gem. § 580 Nr. 4 ZPO kann das Urteil angefochten werden, wenn es von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat – etwa wissentlich unwahren Prozessvortrag der gegnerischen Partei[108] – erwirkt worden ist. Solche Straftaten können vom Vertreter des Wiederaufnahmeklägers, von seinem Gegner oder von dem Vertreter des Gegners begangen worden sein. Hierunter fallen:

die falsche Versicherung an Eides statt (§ 156 StGB),
die Verleitung zur Falschaussage (§ 160 StGB),
die Nötigung (§ 240 StGB),
der Betrug (§ 263 StGB) und
die Untreue (§ 266 StGB).
 

Rz. 61

Da der Wiederaufnahmegrund in der Praxis häufig daran scheitern wird, dass dem behaupteten Verfahrensbetrug keine rechtskräftige Verurteilung zugrunde liegt bzw. die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht erfolgen konnte (§ 581 Abs. 1 ZPO), kann für den Wiederaufnahmekläger auch der Einwand der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) hilfreich sein.

 

Rz. 62

 

Beispiel

Der Schiedskläger veräußerte seine Geschäftsanteile (shares) an einer ausländischen Limited an den Schiedsbeklagten. Beide Parteien stritten um die Höhe des zu zahlenden Kaufpreises. In einem Schiedsvergleich einigten sie sich darauf, dass der Schiedsbeklagte die vom Schiedskläger erstellten Bilanzen als ordnungsgemäß und inhaltlich richtig anerkannte. Gem. § 1053 Abs. 1 S. 2 ZPO hielt das Schiedsgericht den Vergleich in der Form eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut fest. Der Schiedsbeklagte übernahm die Geschäftsanteile und der Schiedskläger beanspruchte die Zahlung der Vergleichssumme. Hiergegen führte der Schiedsbeklagte an, der Schiedskläger habe den Abschluss des Vergleichs mittels unrichtiger Bilanzen arglistig erschlichen.

Der BGH entschied: Als Aufhebungsgrund des Schiedsvergleichs kommt gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO ein Verstoß gegen den "ordre public" in Betracht, dessen Inhalt durch die §§ 580 ff. ZPO konkretisiert werde. Behauptet der Schiedsbeklagte, dass er vom Schiedskläger gem. § 263 StGB betrogen worden sei, deutet dies auf den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 4 ZPO hin. Hiermit kann der Schiedsbeklagte aber nicht durchdringen, wenn es an der erforderlichen rechtskräftigen Verurteilung gem. § 581 Abs. 1 ZPO fehlt.

Gleichwohl kann der Schiedsbeklagte analog § 1059 Abs. 2 ZPO gegen die Vollstreckbarkeit aus dem Schiedsvergleich klagen, wenn er eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne von § 826 BGB darlegen kann. Auf den Ablauf der in § 1059 Abs. 3 ZPO bestimmten Fristen kommt es bei der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung im Sinne von § 826 BGB nicht an, wenn der Schiedsbeklagte mittels unrichtiger Bilanzen über die Geschäftsergebnisse arglistig getäuscht wurde und er durch das so erreichte Einverständnis mit einer hohen Vergleichssumme und einem entsprechend gefassten Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut geschädigt worden ist. Der Schiedsbeklagte kann folglich die Rückgängigmachung des aufgrund der arglistigen Täuschung geschlossenen Vertrages verlangen oder am Vertrag festhalten und zusätzlichen Schadensersatz beanspruchen.[109]

[108] Vgl. etwa BGH NJW-RR 2009, 679, 682 (dort freilich ohne Blick auf § 581 ZPO).

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