Rz. 119
Unentgeltliche Verfügungen des Vorerben über Grundstücke sind im Falle des Eintritts der Nacherbfolge unwirksam, § 2113 Abs. 2 BGB. Bis zu diesem Zeitpunkt sind sie allerdings gem. § 2112 BGB wirksam. Eine teilentgeltliche oder unentgeltliche Verfügung eines Vorerben über ein Grundstück ist demnach nur dann endgültig wirksam, wenn der Nacherbe und etwaige Ersatznacherbe sie bewilligen. Bei teilweise entgeltlicher, teilweise unentgeltlicher Verfügung des Vorerben ist die gesamte Verfügung unwirksam.
Rz. 120
Praxishinweis
In der Praxis sind die Vorerben sehr häufig von den Beschränkungen der entgeltlichen Grundstücksverfügung befreit, § 2136 BGB. Deshalb darf das Grundbuchamt eine Verfügung eines Vorerben nur dann im Grundbuch eintragen, wenn es sich von der (Voll-)Entgeltlichkeit der Verfügung überzeugt hat. Unentgeltlich ist eine Verfügung, wenn der Vorerbe – objektiv betrachtet – ein Vermögensopfer aus dem Nachlass erbringt, ohne dass dieser eine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und wenn er – subjektive Seite – dies entweder weiß oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses das Fehlen einer ausreichenden Gegenleistung hätte erkennen müssen.
Rz. 121
Auch unbenannte Zuwendungen zwischen Ehegatten stellen eine unentgeltliche Verfügung i.S.d. § 2113 Abs. 2 BGB dar.
Rz. 122
Eine Verfügung des nicht befreiten Vorerben ist nur dann (voll-)entgeltlich, wenn eine gleichwertige Gegenleistung auch in den Nachlass fließt. Dagegen ist es dem befreiten Vorerben gestattet, den Nachlass für sich zu verwenden, § 2136 BGB. Deshalb kommt es in diesem Fall nicht darauf an, ob die Gegenleistung in den Nachlass gelangt oder ob sie dem Vorerben persönlich zugutekommt.
Rz. 123
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit einer Verfügung des Vorerben ist der Zeitpunkt ihrer Vornahme.
Rz. 124
Ob eine gemischte Schenkung vorliegt, ist aus der Sicht eines Vorerben bei ordnungsgemäßer Verwaltung der unter Nacherbschaft stehenden Nachlassmasse und unter gebührender Rücksichtnahme auf seine künftige Herausgabepflicht gegenüber dem Nacherben und dessen Interessen zu beurteilen.
Rz. 125
Das OLG Hamm hat folgenden Beispielsfall dazu entschieden:
Der Vorerbe veräußerte ein Grundstück, das zum Nachlass gehörte, für 985.000 DM. Der Käufer bestellte u.a. eine Finanzierungsgrundschuld über 1,2 Mio. DM. Das Grundbuchamt war wegen der höheren Grundschuld der Auffassung, dass hier eine gemischte Schenkung vorliegen könne, und verlangte zur Löschung des Nacherbenvermerks die Bewilligung der Nacherben. Der Käufer wies darauf hin, dass die Finanzierung auch die Dachsanierung umfassen sollte und der Kaufpreis marktgerecht sei.
Das OLG Hamm stellt zunächst klar, dass ein Nacherbenvermerk nur dann gelöscht werden könne, wenn entweder die eingetragenen Nacherben die Löschung bewilligt hätten oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen sei. Unrichtig sei das Grundbuch in Bezug auf den Nacherbenvermerk, wenn das Grundstück mit Wirkung gegenüber den Nacherben aus dem Nachlass ausgeschieden sei. Diese Folge träte ein, wenn der Vorerbe das Grundstück entweder mit Zustimmung aller Nacherben – die hier nicht vorliegt – oder aber als befreiter Vorerbe entgeltlich an eine andere Rechtspersönlichkeit veräußert habe. Die Entgeltlichkeit könne regelmäßig nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden. Deshalb habe die Rechtsprechung die Möglichkeit eröffnet, dass das Grundbuchamt unter Berücksichtigung der natürlichen Gegebenheiten und der gesamten Umstände des Falles zu prüfen habe, ob die Entgeltlichkeit offenkundig sei. Die Veräußerung an einen Dritten außerhalb der Familie sei ein Indiz für die Entgeltlichkeit. Es komme nicht darauf an, ob eine andere Person mit mehr Verhandlungsgeschick einen höheren Verkaufserlös erzielt hätte.
Rz. 126
Anders ist dies zu beurteilen, wenn ein Grundstück an eine nahestehende Person übertragen werden soll. Dazu ein Fall des OLG Düsseldorf:
Zitat
"1. Ein im Grundbuch eingetragener Nacherbenvermerk ist ohne Löschungsbewilligung des Nacherben auf den Antrag des Vorerben nur dann zu löschen, wenn die Grundbuchunrichtigkeit offenkundig oder dem Gericht nachgewiesen, der Vorerbe also zur Verfügung (hier: Übertragung eines Grundstücks an die Lebensgefährtin gegen Leibrente) befugt ist."
2. Die Verfügungsbeschränkung des Vorerben bei unentgeltlicher oder teilunentgeltlicher Verfügung führt im Falle eines Näheverhältnisses des veräußernden Vorerben zum Erwerber (hier: Lebensgefährtin) dazu, dass – zumindest bei weiteren Anhaltspunkten für ein Äquivalenzdefizit (hier: Investitionen der Erwerberin in streitiger Höhe bei nicht belegter Relevanz für den Grundstückswert; dem Vorerben eingeräumtes Mitbenutzungs- und Wohnungsrecht) – der Vorerbe den zur Löschung des Nacherbenvermerks erforderlichen grundbuchlichen Nachweis der (vollständigen) Unentgeltlichkeit durch Vorlage eines (nicht von Amts wegen einzuholenden) Wertgutachtens zu erbringen hat...