Rz. 64

Anspruchsberechtigt ist jeder Arbeitnehmer oder jede arbeitnehmerähnliche Person. Die Bestimmung des Begriffes "Arbeitnehmer" i.S.v. § 165 SGB III ist umstritten. Organmitglieder juristischer Personen können nach § 165 Abs. 1 SGB III anspruchsberechtigt sein, wenn sie keinen beherrschenden Einfluss in der Gesellschaft ausüben und ihr Anteil am Stammkapital unter 50 % liegt.[61]

 

Rz. 65

Der Antrag auf Insolvenzgeld ist vom Arbeitnehmer unter Einhaltung der zweimonatigen Frist gem. § 324 Abs. 3 SGB III bei der zuständigen Agentur für Arbeit zu stellen. Bei der Frist handelt es sich um eine Ausschlussfrist. Bei der Agentur für Arbeit sind entsprechende Vordrucke erhältlich, der Antrag kann aber auch formlos gestellt werden. Da die jeweiligen Bearbeitungszeiten bei den einzelnen Agenturen für Arbeit stark variieren und dem Arbeitnehmer zumeist bereits längere Zeit kein Lohn ausbezahlt wurde, ist es empfehlenswert, dem Antrag auf Insolvenzgeld einen Antrag auf Zahlung eines angemessenen Vorschusses beizufügen.

 

Rz. 66

Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine Lohnbescheinigung zu erstellen und das Insolvenzgeld zu berechnen. Auch hierfür sind bei der Bundesagentur für Arbeit spezielle Vordrucke erhältlich.

 

Rz. 67

Dem Arbeitnehmer steht ein Anspruch auf Zahlung seines bisherigen Nettolohnes (begrenzt auf den Teilbetrag des Nettoarbeitsentgelts, der sich auf Grundlage der Beitragsbemessungsgrenzen errechnet) zu, § 167 Abs. 1 SGB III. Dabei werden vermögenswirksame Leistungen wie Weihnachtsgratifikation, Reisekosten, Überstunden, Urlaubsgeld grundsätzlich mit umfasst. Sie sind allerdings dem Zeitraum zuzuordnen, in dem sie erarbeitet wurden.[62] Urlaubsabgeltungsansprüche werden nicht mehr über Insolvenzgeld abgegolten (vgl. § 166 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 SGB III).

Liquidität zur Begleichung der Lohn- und Gehaltsforderungen kann durch die Vorfinanzierung von Insolvenzgeld erreicht werden gem. § 165 ff. SGB III. Bei einer Vorfinanzierung treten die insolvenzgeldberechtigten Arbeitnehmer der finanzierenden Bank ihre Ansprüche auf Arbeitsentgelt ab. Eine Abtretung des direkten Insolvenzausfallgeldanspruchs gegen die Agentur für Arbeit ist aufgrund von § 171 SGB III, der eine Abtretung erst nach Antragstellung zulässt, rechtlich nicht möglich. Wird der fällige Anspruch auf Arbeitsentgelt an die Bank abgetreten, so geht auch der spätere Anspruch auf Insolvenzgeld mit über, § 170 SGB III. Im Gegenzug gewährt die vorfinanzierende Bank ein Darlehen. Zur Vorfinanzierung ist die Zustimmung der Agentur für Arbeit, welche i.d.R. der vorläufige Insolvenzverwalter einholt, erforderlich.

[61] Vgl. BSG BB 2000, 674; BSG ZIP 1988, 1592; Mues, Frankfurter Kommentar, Anh. zu § 113 Rn 35.
[62] Vgl. Ahrendt, Hamburger Kommentar, Anh. zu § 113 Rn 15.

a) Checkliste: Insolvenzgeld

 

Rz. 68

Anspruchsberechtigt ist jeder Arbeitnehmer oder jede arbeitnehmerähnliche Person, auch geringfügig Beschäftigte und ggf. Organmitglieder ohne herrschenden Einfluss mit weniger 50 % Anteil am Stammkapital
Ausschlussfrist der Antragstellung: zwei Monate seit Insolvenzeröffnung, § 324 SGB III
Antragstellung durch Arbeitnehmer (auch online möglich)

Dem Antrag beizufügende Unterlagen:

Arbeitsvertrag in Kopie
Verdienstabrechnungen
Vom Insolvenzverwalter ausgestellte Insolvenzgeldbescheinigung
Vorfinanzierung mit Genehmigung der Agentur für Arbeit durch den vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. im Eigenverwaltungsverfahren durch den Schuldner über Bank oder ggf. Antrag auf Vorschuss bei Bundesagentur für Arbeit möglich
Angaben in dem Antrag auf Zustimmung zur Insolvenzgeldvorfinanzierung
Zeitraum der Insolvenzgeldvorfinanzierung
Anzahl der Arbeitnehmer
Anzahl der Arbeitsplätze, die voraussichtlich auf Dauer erhalten werden können

Anlagen:

Übersicht der Arbeitnehmer, deren Ansprüche vorfinanziert werden sollen
Beschluss über die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung

b) Muster: Vertrag über den Ankauf von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt

 

Rz. 69

Muster 21.13: Vertrag über den Ankauf von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt

 

Muster 21.13: Vertrag über den Ankauf von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt

Unter Zustimmung der Fa. A-GmbH und des vorläufigen Insolvenzverwalters R verkaufen und übertragen die diesem Vertrag beitretenden und in den Beitrittserklärungen mit unterzeichnenden Arbeitnehmer der A-GmbH ihre Ansprüche auf Nettoarbeitsentgelt (also auf das um gesetzliche Abzüge verminderte Arbeitsentgelt, das sich im Einzelnen aus den beiliegenden Beitrittserklärungen ergibt) für die Zeit der Vorfinanzierung an die diese annehmende ABC Bank AG (nachfolgend kurz "Bank" genannt).

Die Bank zahlt die fälligen Kaufpreise, die sich aus den beigefügten Beitrittserklärungen ergeben, bis maximal _____ EUR, sofort in barem oder auf dem üblichen bargeldlosen Wege. Die Bank übernimmt keine weiteren Verpflichtungen. Die Beitrittserklärungen sind wesentlicher Bestandteil des Vertrages.

Die A-GmbH erklärt mit ausdrücklicher Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters, dass die Bank für sämtliche eventuellen Verluste aus der Bevorschussung des N...

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