Angelika Wimmer-Amend, Michael Merten
Rz. 41
Eine Haftung der Vorstandsmitglieder kann sich insbesondere aus den in § 93 Abs. 3 AktG genannten Gründen ergeben. Im Falle einer Verhaltenspflichtverletzung liegt der Schaden grundsätzlich bereits in dem Vermögensabfluss aus der Gesellschaft selbst. Hinsichtlich der Schadensentstehung kann sich das ersatzpflichtige Vorstandsmitglied nach allgemeinen Schadensersatzregelungen der §§ 249 ff. BGB verteidigen.
Eine unterlassene, aber gebotene Kürzung der Gesamtbezüge des Vorstands im Vorfeld einer Insolvenz kann zu Ansprüchen des Insolvenzverwalters nach §§ 93 Abs. 2, 116, 87 Abs. 2 AktG, § 92 InsO führen.
Weitere haftungsrelevante Sachverhalte können in den Fällen von Cash Pooling und sog. "Upstream-loans" bestehen. Eine Existenzvernichtungshaftung wie bei der GmbH und eine Vermögensvermischungshaftung besteht bei der AG hingegen nicht.
Das Vorstandsmitglied einer AG genießt – abgesehen von der rechtsformübergreifend geregelten Haftung für Zahlungen in der Krise (§ 15b InsO) – im Vergleich zu einem GmbH-Geschäftsführer über weiteren Entscheidungsspielraum. Eine Pflichtverletzung ist nach § 93 Abs. 1 und 2 AktG bereits ausgeschlossen, wenn ein Vorstandsmitglied auf der Basis angemessener Informationen angenommen hat, zum Wohle der AG zu handeln und dies vernünftigerweise auch annehmen durfte.
Eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung fehlt bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen zu § 93 Abs. 1 S. 2 AktG:
▪ |
Es liegt eine unternehmerische Entscheidung vor. |
▪ |
Das Handeln des Vorstandsmitgliedes muss
▪ |
frei von Sonderinteressen und sachfremden Einflüssen gewesen sein; |
▪ |
dem Wohl der Gesellschaft gedient haben; |
▪ |
auf angemessener Information basiert haben, worunter das, was aus ex-ante-Sicht in der konkreten, subjektiven Entscheidungssituation als angemessen erscheint, zu verstehen ist. |
|
▪ |
Das Vorstandsmitglied muss gutgläubig gewesen sein, wobei die Grenze das aus ex-ante-Sicht objektiv Nachvollziehbare bildet. |
Da der Vorstand grundsätzlich nicht weisungsgebunden ist, entlastet es die Vorstandsmitglieder nicht, wenn sie mit Billigung des Aufsichtsrates gehandelt haben wollen. Allerdings ist gem. § 93 Abs. 4 AktG die Haftung der Vorstandsmitglieder für Handlungen ausgeschlossen, die auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruhen.
Die AG kann grundsätzlich erst drei Jahre nach Entstehung eines Schadensersatzanspruchs einen Verzicht auf einen Anspruch nach § 93 Abs. 2 AktG aussprechen. Anderes gilt nur, wenn der Ersatzpflichtige seinerseits zahlungsunfähig ist und sich mit der Gesellschaft im Rahmen eines außergerichtlichen Einigungsversuchs zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens auf eine Vergleichssumme mit Teilerlasswirkung einigt, § 93 Abs. 4 S. 3 und 4 AktG.