Angelika Wimmer-Amend, Michael Merten
Rz. 93
Um dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis während eines Insolvenzverfahrens zu erhalten, bietet die InsO die Möglichkeit der Durchführung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung nach den §§ 270 bis 285 InsO. Eigenverwaltung in Verbraucherinsolvenzverfahren (siehe dazu Rdn 198 ff.) ist nicht möglich, § 270 Abs. 2 InsO.
Der Schuldner kann bereits für das Eröffnungsverfahren die vorläufige Eigenverwaltung beantragen, § 270b InsO. Ist die von dem Schuldner mit dem Antrag einzureichende Eigenverwaltungsplanung gem. § 270a InsO vollständig und schlüssig und liegen keine Sachverhalte gem. § 270b Abs. 2 InsO vor (z.B. mangelnde Deckung der Verfahrenskosten, Zahlungsrückstände aus Arbeits- oder Steuerschuldverhältnissen, Verstöße gegen Offenlegungspflichten), bestellt das Insolvenzgericht anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters einen vorläufigen Sachwalter, § 270b Abs. 1 S. 1 InsO.
Eine besondere Möglichkeit eröffnet das sog. Schutzschirmverfahren nach § 270d InsO (zuvor § 270b InsO a.F.), in welchem der Schuldner die Auswahl des vorläufigen Sachwalters verbindlich vorschlagen kann, § 270d Abs. 2 S. 2 InsO. Das Gericht kann von dem Vorschlag des Schuldners nur dann abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich ungeeignet ist, § 270d Abs. 2 S. 3 InsO. Die Anordnung des Schutzschirmverfahrens setzt voraus, dass der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung, jedoch keine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit, vorliegt und dass die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslost ist. Der Schuldner hat über das Vorliegen dieser Voraussetzungen zusammen mit seinem Insolvenzantrag eine Bescheinigung vorzulegen, § 270d Abs. 1 S. 1 InsO.
Bei der Eigenverwaltung wird der Schuldner quasi als Insolvenzverwalter in eigenen Angelegenheiten tätig. Er erhält insofern Befugnisse, die ihm vor Verfahrenseröffnung nicht zugestanden haben. Ihm werden weitgehend alle Pflichten zugewiesen, die im Regelinsolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter obliegen. Er kann grundsätzlich in demselben Umfang verwalten und verfügen, wie ein Insolvenzverwalter dazu befugt wäre, es sei denn, es werden ihm Einschränkungen auferlegt. Dabei hat der Schuldner eine Vielzahl insolvenzrechtlicher Sonderpflichten zu beachten, deren Verletzung die Haftung gem. §§ 60 ff. InsO auslöst, § 270 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 276a Abs. 2 Abs. 3 InsO. In der Regel wird der eigenverwaltende Schuldner daher auf fachkundige externe Unterstützung zurückgreifen müssen. Es hat sich bewährt, die Geschäftsleitung mit der Expertise zumindest eines professionellen Insolvenzverwalters zu ergänzen. Entsprechende Kosten hierfür sollten von Beginn an einkalkuliert werden.
Auf Antrag der Gläubigerversammlung kann das Gericht für bestimmte Rechtsgeschäfte anordnen, dass diese der Zustimmung des Sachwalters bedürfen, § 277 InsO. Der Schuldner bleibt in den Aktivprozessen prozessführungsbefugt. Er ist gem. § 282 InsO zur Verwertung von Absonderungsgegenständen berechtigt, zum Bestreiten von Forderungen und zur planmäßigen Befriedigung der Gläubiger, § 283 InsO. Zu besonders bedeutsamen Handlungen hat der Schuldner die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, § 276 InsO.
Lediglich zur Insolvenzanfechtung sowie zur Geltendmachung von Gesamtschäden ist allein der Sachwalter befugt, §§ 280 InsO. Seine Aufgaben bestehen in der Überwachung des Schuldners sowie der Information des Gerichts und des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung. Stellt der Sachwalter Umstände fest, die erwarten lassen, dass eine Fortsetzung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führt, muss er dies unverzüglich anzeigen, § 274 Abs. 2 und 3 InsO. Das Gericht hat die Anordnung der Eigenverwaltung gem. § 272 Abs. 1 InsO aufzuheben, wenn der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen insolvenzrechtliche Pflichten verstößt oder sich zeigt, dass der nicht bereit oder in der Lage ist, die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen (Nr. 1), wenn sich die angestrebte Sanierung als aussichtslos erweist (Nr. 2), oder auf Antrag der Gläubigerversammlung (Nr. 3), einzelner Gläubiger (Nr. 4: sofern die Voraussetzungen der Eigenverwaltung gem. § 270b Abs. 1 S. 1 InsO weggefallen sind und dem Antragsteller erhebliche Nachteile drohen) oder des Schuldners (Nr. 5).
Im Fall der Aufhebung wird das Insolvenzverfahren als "normales" Insolvenzverfahren fortgesetzt und ein Insolvenzverwalter bestellt. Dies kann der bisherige Sachwalter sein. Die Entscheidung liegt allein im Ermessen des Gerichts.