Angelika Wimmer-Amend, Michael Merten
Rz. 83
Die Gläubigerversammlung ist nach der Insolvenzordnung das oberste Organ im Rahmen der insolvenzrechtlichen Gläubigerselbstverwaltung. Die Einberufung der Gläubigerversammlung erfolgt durch das Insolvenzgericht. Die Leitung der Versammlung obliegt dem Gericht. Die Mitwirkung der Gläubigerversammlung beschränkt sich auf die gesetzlich im Einzelnen definierten Befugnisse. Eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Insolvenzverwalter besteht nicht.
Rz. 84
Die erste Gläubigerversammlung ist zugleich Berichtstermin, in dem über den Fortgang des Verfahrens beschlossen wird, § 157 InsO. Der Berichtstermin soll innerhalb von sechs Wochen nach der Verfahrenseröffnung stattfinden, spätestens jedoch nach drei Monaten, § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Im Berichtstermin berichtet der Insolvenzverwalter über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und die Ursachen der Insolvenz, § 156 Abs. 1 InsO. Der Bericht ist mündlich zu erstatten und schriftlich zu den Insolvenzakten zu reichen. Im Berichtstermin entscheiden die Gläubiger insbesondere darüber, ob und in welcher Besetzung ein Gläubigerausschuss gewählt wird, und über die Schließung oder Fortführung des Geschäftsbetriebes. Im Berichtstermin bzw. in der ersten Gläubigerversammlung (und nur in dieser) besteht zugleich das Recht der Gläubigerversammlung, den bestellten Insolvenzverwalter abzuwählen, § 57 InsO.
Rz. 85
In der Gläubigerversammlung sind nur die anwesenden Gläubiger stimmberechtigt. Die Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst. Entscheidend ist, dass die Forderungen der Gläubiger, die dem Beschluss zustimmen, mehr als die Hälfte der Forderungssumme der abstimmenden Gläubiger ausmachen, § 76 Abs. 2 InsO.
Rz. 86
Die Beschlüsse sind für den Insolvenzverwalter, die nicht erschienenen oder auch überstimmten Gläubiger sowie für das Gericht bindend. Gem. § 78 Abs. 1 InsO kann das Insolvenzgericht auf Antrag des Verwalters oder eines Insolvenzgläubigers die Ausführung eines Beschlusses untersagen, wenn es der Ansicht ist, dass dieser Beschluss den gemeinsamen Interessen der Gläubiger widerspricht. Im Innenverhältnis ist der Insolvenzverwalter an den Beschluss gebunden. Gleichwohl sind Handlungen des Verwalters, die dem Beschluss widersprechen, im Außenverhältnis wirksam.
Rz. 87
Die Einberufung weiterer Gläubigerversammlungen erfolgt durch das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters oder des Gläubigerausschusses. Antragsberechtigt sind auch absonderungsberechtigte Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 75 Abs. 1 Nr. 3 und 4 InsO, nicht hingegen der Insolvenzschuldner, einzelne Mitglieder des Gläubigerausschusses oder Massegläubiger. Teilnahmeberechtigt sind nur die Insolvenzgläubiger, die absonderungsberechtigten Gläubiger, der Insolvenzverwalter und der Schuldner.
Rz. 88
Grundsätzlich entscheidet die Gläubigerversammlung – es sei denn, ein Gläubigerausschuss ist bestellt, dann entscheidet dieser – über die Zustimmung zu besonders bedeutsamen Geschäften, die der Insolvenzverwalter vornehmen will, §§ 160 ff. InsO. Darunter fallen insbesondere die Veräußerung des Geschäftsbetriebes, des gesamten Warenlagers, freihändige Veräußerung einzelner unbeweglicher Gegenstände, Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen des Insolvenzschuldners, Aufnahme erheblicher Darlehen, Durchführung von Rechtsstreiten mit einem erheblichen Streitwert, die Betriebsveräußerung an besonders Interessierte und die Betriebsveräußerung unter Wert. Darüber hinaus kann die Gläubigerversammlung den Verwalter beauftragen, einen Insolvenzplan auszuarbeiten, § 218 Abs. 2 InsO.