Rz. 9

Streitverkündung (§§ 72 ff. ZPO) ist die Beteiligung eines bisher unbeteiligten Dritten an einem schwebenden Rechtsstreit auf Initiative des Klägers oder des Beklagten des Rechtsstreits. Im Unterschied zu der in der Praxis kaum anzutreffenden Haupt- und "freiwilligen" Nebenintervention geht bei der Streitverkündung die – rechtliche – Beteiligung am Rechtsstreit von einer der bisherigen Prozessparteien aus. Der Streitverkündete (also die Person, der der Streit verkündet wird) wird hier also durch die Streitverkündung in das Prozessgeschehen ohne seinen Willen zumindest in bestimmten Rechtswirkungen mit hineingezogen.

I. Voraussetzungen

 

Rz. 10

Gemäß § 72 ZPO kann eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder für diesen Fall den Anspruch eines Dritten besorgt, dem Dritten den Streit verkünden verbunden mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf ihrer Seite beizutreten.

 

Beispiel:

Versicherung D hat eine Maklerbüro B-GmbH beauftragt, den Abschluss zum Kauf eines Bürohauses für sie herbeizuführen. Für die B-GmbH ist bei den Gesprächen pp. mit und gegenüber der D immer M aufgetreten.

Die B-GmbH schickt nach erfolgreicher Vermittlung eine Rechnung, die D auch sogleich bezahlt. Kurze Zeit später erhält die D von M persönlich eine Rechnung, wobei M behauptet, er habe nicht für die B-GmbH, sondern im eigenen Namen gehandelt. Falls M die D im Klagewege auf Zahlung des berechneten Maklerhonorars in Anspruch nimmt, betrifft dies mittelbar auch die B-GmbH, da klar ist, dass die D nur einmal für die in Rede stehende Maklerleistung zahlen muss.

D kann daher der B-GmbH den Streit verkünden, weil sie im Fall ihres Unterliegens gegen M von der B-GmbH das bereits gezahlte Honorar als ungerechtfertigte Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 BGB zurückverlangen kann.

 

Rz. 11

Die Streitverkündung hat gem. § 74 ZPO die gleiche Folge wie die Nebenintervention und zwar unabhängig davon, ob der Streitverkündete tatsächlich dann dem Rechtsstreit beitritt oder nicht (vgl. § 74 Abs. 2 ZPO). Im Ergebnis bedeutet das gem. §§ 74, 68 ZPO praktisch, dass der Streitverkündete in dem späteren etwa nachfolgenden Regressprozess so behandelt wird, als wenn er Partei des ersten Verfahrens gewesen und damit an das Prozessergebnis und alle seine Feststellungen gebunden wäre. Nur sofern und soweit er keinen Einfluss auf den ersten Prozess nehmen konnte oder sein Vortrag dort nicht berücksichtigt wurde, weil er sich in Gegensatz zu der Hauptpartei, die ihm den Streit verkündet hat, gestellt hat, bleibt der erste Prozess ohne Auswirkung. Eine Streitverkündung ist also immer dort zulässig und zweckmäßig, wenn in einem Rechtsstreit die Interessen dritter Personen berührt werden. In diesem Zusammenhang ist sie in § 841 ZPO bei der Einziehung von gepfändeten und überwiesenen Forderungen sogar zwingend vorgeschrieben. Dem Schuldner ist in diesem Fall der Streit zu verkünden. Voraussetzung ist auch für die Streitverkündung ein noch nicht rechtskräftig abgeschlossener, anhängiger Rechtsstreit. Der Rechtsstreit muss sich nicht in der ersten Instanz befinden. Die Streitverkündung ist damit auch in der Berufungs- oder Revisionsinstanz möglich. Der Streitverkündungsempfänger heißt Streitverkündeter, die Partei, von der die Streitverkündung ausgeht, Streitverkünder.

II. Form

 

Rz. 12

Die Streitverkündung erfolgt gem. § 73 ZPO durch Schriftsatz, der dem Streitverkündeten von Amts wegen zugestellt werden muss. Der Schriftsatz muss den Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits angeben. Darunter versteht man, dass der Streitverkünder dem Streitverkündeten mitzuteilen hat, in welcher Phase des Verfahrens der Prozess ist.

 

Rz. 13

Muster 2: Streitverkündungsschrift

 

Muster: Streitverkündungsschrift

Streitverkündung

In dem Rechtsstreit

des Maklers Hermann Josef Hinterborn, Bahnhofsplatz 5, 55432 Bad Kreuznach,

Klägers,

– Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Immerklug, Mainz –

gegen

die D-Versicherungs AG, vertreten durch ihren Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Dr. Fridolin Haupt, Hinter der Höfen 15, 55118 Mainz,

Beklagte,

– Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin Duselmann, Alzey –

verkünde ich namens der Beklagten

der B-GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer Heino Unglaub, Mainzer Str. 15, 55411 Bingen,

Streitverkündete,

den Streit mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beizutreten.

Begründung:

Der Kläger nimmt im Verfahren 2 O. 345/19 vor dem LG in Mainz die Beklagte auf Zahlung von 14.569,23 EUR Maklerhonorar in Anspruch.

Die Beklagte verteidigt sich gegen die gegen sie erhobene Klage damit, dass sie nicht dem Kläger, sondern der Streitverkündeten einen Maklerauftrag erteilt hat, mithin nicht verpflichtet ist, an den Kläger zu zahlen.

Da die Beklagte das ihr auch von der B-GmbH in Rechnung gestellte Maklerhonorar bereits bezahlt hat, hätte sie im Fall eines ihr ungünstigen Verfahrensausganges einen Rückforderungsanspruch ge...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge