Rz. 20
Im Anschluss an das Erstgespräch und den Abschluss des Mediationsvertrages beginnt die erste von fünf Phasen, die für Mediatoren jedweder Ausbildungen zu den Herzstücken gehören: die sogenannte Themensammlung. Manche Mediatoren führen diese Stufe direkt im Anschluss an das Erstgespräch als eine Sitzung durch, andere warten, bis sich die Erfahrungen des Erstgesprächs gesetzt haben und beginnen dann mit einer neuen Sitzung.
Rz. 21
Je nach Usus des Mediators hat dieser von den Beteiligten eine Zusammenfassung schriftlicher Art (in der Regel begrenzt auf eine DIN A4 Seite) zu den zu besprechenden Themen erbeten. Der Inhalt dieser dem Mediator zur Einarbeitung in diesen Mediationsauftrag überlassenen Einschätzungen der Beteiligten wird in der Regel vertraulich behandelt, d.h. nicht gegenüber den anderen Betroffenen offengelegt.
Rz. 22
Typischerweise beginnt diese Verfahrensstufe damit, dass jeder Beteiligte zunächst seine Sichtweise des aufgetretenen Konflikts, bzw. der zu regelnden Punkte in der Unternehmensnachfolge im Zusammenhang schildert. Diese Schilderungen werden vom Mediator hinterfragt, wobei die Darstellungen der Parteien ohne eigene Stellungnahme des Mediators von diesen immer wieder zusammengefasst und gespiegelt werden, um ein korrektes Verständnis sicherzustellen. Die berichtende Partei wird hierbei im Rahmen eines den jeweiligen Beteiligten zugedachten Zeitfensters dabei unterstützt, ihre Sachverhaltswahrnehmung und die für sie wichtigen Themen vollständig anzusprechen.
Rz. 23
Die anderen Beteiligten sind in dieser Zeit, da sie nicht in aktiver Partizipation mit dem anderen Argumente austauschen müssen, Zuhörer und können sich auf die Wahrnehmung des Gesagten konzentrieren. Die inhaltliche Diskussion strittiger Punkte unterbleibt demzufolge zunächst. Manche Beteiligte müssen dabei erst gebremst werden, aber die meisten gewöhnen sich dann an diese Art der Kommunikation in der Mediation. Für einen Verhandlungserfolg ist es wichtig, die Sichtweise der Gegenseite vollständig anzuhören, um sie dann möglichst weitestgehend nachzuvollziehen. Wenn sich die Beteiligten auf ein frühzeitiges Streitgespräch einließen, so würde das dazu führen, dass die Wahrnehmung des Gehörten, da nicht intensiv zugehört werden kann, überlagert würde durch die Konzentration auf die beabsichtigte eigene Stellungnahme zu und Kritik an dem Gehörten. Eine exakte Kenntnis der Ausgangslage des anderen Beteiligten würde somit erschwert.
Es ist wichtig einzusehen, dass es die für die eigene Auffassung beanspruchte objektive Wahrheit nicht gibt, sondern jeder Konflikt durch zwei (oder mehr) unterschiedliche subjektive Parteiwahrheiten geprägt ist. Aus Asien stammt hierzu folgendes Sprichwort: Es gibt immer drei Wahrheiten, Deine Wahrheit, meine Wahrheit und die Wahrheit. Alle Beteiligten haben nacheinander die Gelegenheit, ihre Sichtweise im Zusammenhang und ohne Unterbrechung durch die anderen zu schildern. Auch bei den anderen Beteiligten fasst der Mediator immer wieder das Geäußerte zusammen, um ein korrektes Verständnis für alle sicherzustellen. Häufig werden die geäußerten Themenpunkte visualisiert, meistens auf Flipchart. Einige Mediatoren nutzen auch Overhead-Projektoren, eigene Notizen oder Whiteboards.
Rz. 24
Der Zweck der Themensammlung in der Mediation ist der, alle Themen und Konfliktpunkte aller Beteiligten für alle nachvollziehbar darzustellen und eine spätere Gewichtung der Reihenfolge für die Bearbeitung möglich zu machen. In vielen Mediationen reicht es nicht, nur eine Themensammlung zu machen. Zu manchen Punkten müssen zusätzlich Unterthemensammlungen aufgemacht werden.
Rz. 25
Nach der ersten kurzen Schilderung, worum es den Beteiligten geht, wird aus Gründen der Balance häufig die Reihenfolge der Nennungen mit den Beteiligten abgestimmt. Soll die Nennung der Themenpunkte abwechselnd erfolgen, soll der erste all seine Punkte benennen oder soll nach Belieben im Zuge der Erarbeitung hinzugefügt werden? Wenn sich die Beteiligten für die Themensammlung und auch später für die Erarbeitung von Unterpunkten Zeit nehmen können, stehen in der Regel nach dieser Sitzung bzw. Stufe die wichtigsten Punkte und Themen für alle sichtbar an der Wand.
Rz. 26
Moderne Verhaltensforschung hat gezeigt, dass in bilateralen Verhandlungen die Beteiligten häufig unfähig sind, die Komplexität des Verhandlungsgegenstandes zu bewältigen. Das Reduzieren der Reibungspunkte und der bei der Unternehmensnachfolge zu berücksichtigenden unterschiedlichen Themenkomplexe auf eine sachliche Ebene in der Zusammenfassung als Themenpunkte macht es den Beteiligten einfacher, die offenen Punkte und Fragen im Nachhinein "abzuarbeiten". Da die Beteiligten mit der Versachlichung ihres Stoffes häufig ungeübt sind, sind Themensammlungen immer wieder eine Ansammlung von Positionen und nicht selten auch von fertigen Lösungsvorstellungen der einzelnen Beteiligten. Der Mediator wird versuchen, durch Nachfragen und andere Techniken umzuformulieren. Manchmal...