Rz. 37
In der nächsten Stufe der Mediation, der Stufe des Verhandelns, filtern die Beteiligten mithilfe des Mediators die machbaren Lösungsoptionen heraus und bearbeiten diese weiter. Es werden vorläufige Regelungen entwickelt. Je nach Fallkonstellation und Mediationshandwerkzeug kommen hierbei unterschiedliche Techniken der Bearbeitung zum Einsatz.
Eine Technik ist, dass die Mediationsteilnehmer sich die von ihnen erwählten Optionen nochmals näher ansehen und sich überlegen, was für Angebote sie den anderen Beteiligten machen können, um diese Optionen "ins Leben" bringen zu können. Dabei ist es hilfreich, jeden Punkt einzeln zu behandeln, sich diverse Alternativen vorzustellen und keine Wenn-Dann-Pakete zu schnüren.
Rz. 38
Die Verhandlungsmodelle, die zum Einsatz kommen, können sein:
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"Tit for tat" = einmal die eine, dann die andere Partei. |
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"Markt/Bazar-Modell" = Verhandlungen unabhängig von tatsächlichen Werten, jede Seite bietet etwas an, um den Handel für den anderen Beteiligten interessanter zu gestalten. |
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"Geben und Nehmen-Modell" = jeder bekommt (soweit tatsächlich machbar), was er will und gibt dem anderen einen gleichwertigen Ersatz für das Erhaltene. |
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"Los-Modell" = Losen entscheidet. |
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"Alternativ-Modell" = es werden erst zweit- und drittbeste Lösungen gesucht. |
Hinweis
Bei der Bearbeitung streng nach dem Harvard-Modell wird auch die schlechteste Lösung WATNA mit erarbeitet, um somit eine tragbare Lösung für die Beteiligten nachvollziehbar und möglich zu machen.
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"Paket-Modell" = es wird so lange verhandelt, bis ein komplettes Paket geschnürt ist, mit mehreren Unterpunkten. |
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Das so genannte "Palaver-Modell" – es wird so lange geredet, bis eine Einigung erzielt ist. Keiner verlässt den Raum, bis die Lösung da ist. Diese Einigungsfindung sieht man eher in amerikanischen Gerichtsserien bei den Verhandlungen der Geschworenen, als dass sie in der Unternehmensnachfolgegestaltung angewendet würde. |
Rz. 39
Unter Umständen findet auch eine Kombination aus verschiedenen Verhandlungsmodellen statt. Wichtig ist hierbei, dass jedem bewusst ist, dass eine vage Idee etwas anderes ist als ein ausgearbeiteter, abstimmungsreifer Vorschlag. Nicht jede Idee lässt sich realisieren und nicht jede realisierbare Idee dient den Interessen der Beteiligten gleich gut. Aus den vorher unkonturierten Ideen werden denkbare Einigungsoptionen entwickelt und geordnet bearbeitet.
Rz. 40
Auch wenn eine Verständigung zum Greifen nah ist, kommt es in dieser Phase der Mediation nicht selten zu heftigen strategischen Verhandlungen. Ein geübter Mediator sammelt möglichst viele Angebote, unter Umständen mit kurzen Notizen oder sogenannten Moderationskarten, die dann hinterher thematisch zusammen sortiert werden. Zwischenergebnisse werden meist stichwortartige zusammengefasst und später ausformuliert. Da in dieser Phase häufig hohe Emotionalität auftritt und es ernster wird, ist hier für alle Beteiligten mit Streit zu rechnen. Nicht selten möchte keine Seite am Ende als diejenige dastehen, die zuerst nachgegeben hat. Es geht in vielen Fällen viel um Eitelkeit und die Arbeit am Ruf als harter Verhandler. Einigungshindernisse werden in dieser Phase schnell als größer bewertet als die bereits erzielten Teileinigungen. Es hängt maßgeblich vom Geschick des Mediators ab, die Beteiligten dahingehend zu unterstützen, diese verbleibenden Hindernisse zu überwinden und die Konturen einer Einigung weiter herauszuarbeiten.
Rz. 41
Eine weitere Methode hierzu ist die Anwendung des sogenannten Ein-Text-Verfahrens, welches beispielsweise 1978 in den Camp-David-Verhandlungen zwischen Israel und Ägypten mit der Vermittlung von US-Präsident Carter angewendet wurde. Grundgedanke dieses Verfahrens ist, dass der Mediator bei einer sich abzeichnenden Einigungsmöglichkeit einen gemeinsamen Arbeitstext anfertigt, der die Grundzüge eines Lösungsvorschlages bezüglich aller Verhandlungsthemen enthält. Dieser Text wird dann von allen Beteiligten präzisiert und ergänzt.
Rz. 42
Eine andere Methode ist es, schon einmal die Teil-Einigungen, soweit kombinierbar, zusammenzufassen. Der mit den Konfliktparteien erarbeitete Lösungsvorschlag ist ein großer Schritt in Richtung der dauerhaften Konfliktbewältigung, und die Beteiligten sind meistens sehr froh, an diesem Punkt des Mediationsprozesses etwas geschafft zu haben. Nichtsdestotrotz sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass es in der Verhandlungsphase nach wie vor ein vorläufiges Einigungsergebnis ist, was vor der Konkretisierung einer umsetzbaren Einigung nochmals auf Umsetzbarkeit und Lebbarkeit überprüft werden sollte.
Rz. 43
Häufig wird hierzu eine längere Pause – und sei es auch nur eine Mittagspause – angesetzt, in der die Beteiligten mit ihren jeweiligen Beratern, Familienangehörigen, Mitarbeitern, Partnern Rücksprache halten können. Schließlich geht es nicht um das Erreichen einer pro-forma-Einigung und Absichtserklärung, sondern um das Formulieren langlebiger Vereinbarungen, insbesondere in dem hier vorliege...