Rz. 37
Eine gesetzliche Neuerung ist das Notvertretungsrecht des Ehegatten nach § 1358 BGB. Hiernach kann ein Ehegatte künftig für den anderen Ehegatten in Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligen oder diese untersagen, wenn dieser aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen kann.
Die Befürworter dieser Neuregelung argumentieren in der Gesetzesbegründung, dass die große Mehrheit der Bevölkerung seit jeher ganz selbstverständlich davon ausgehe, dass im Notfall medizinische Entscheidungen für einen Ehepartner getroffen werden können. Das war bislang aber nicht der Fall. Mit der Gesetzesreform werde nun umgesetzt, was die Menschen zwar irrtümlich, aber ganz natürlich als selbstverständlich ansehen. Das Motiv des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 1358 BGB war aber wohl weniger, die in der Bevölkerung verbreiteten Fehlvorstellungen über die Existenz eines solchen Rechts zu bewahrheiten, als vorrangig ein fiskalisches Ziel: Ziel der Neuregelung ist, bei Fehlen einer Vorsorgevollmacht die häufig notwendige Anordnung einer vorläufigen Betreuung nach § 300 FamFG zu vermeiden. Der Gesetzgeber schätzt, dass die 72.600 einstweiligen Anordnungsverfahren bei den Betreuungsgerichten pro Jahr, die Situationen betreffen, auf die das Ehegattennotvertretungsrecht zugeschnitten ist, auf 30 % hiervon reduziert werden könnten. Insgesamt entfällt damit bei den Ländern ein Erfüllungsaufwand von 1.110.000 EUR pro Jahr. Die Abwälzung der Entscheidungsbefugnis auf die Ehegatten birgt jedoch auch Risiken. Mit der ärztlichen Bescheinigung nach § 1358 Abs. 4 BGB wird die gesetzliche Bevollmächtigung des Ehegatten bestätigt und gibt diesem in dem vorgegebenen Rahmen umfassende Handlungsmöglichkeiten. Für den Arzt wurde weder eine Nachforschungs- noch eine Prüfpflicht hinsichtlich der Ausschlussgründe normiert. Dies wäre auch nicht praktikabel. Es verbleibt somit eine erhebliche Missbrauchsgefahr, dahingehend ob der vertretende Ehegatte tatsächlich nach den Wünschen bzw. dem mutmaßlichen Willen des einwilligungsunfähigen Ehegatten handelt. Weiterhin handlungsunfähig sind Lebensgefährten und erwachsene Kinder, obwohl diese in Akutsituationen gleichermaßen oftmals die einzigen Ansprechpartner sind, die die Belange des Betroffenen regeln könnten.
Rz. 38
Aus dem Ehegatten-Notvertretungsrecht ergibt sich keine Vertretungsverpflichtung, das Ehegattenvertretungsrecht muss nicht wahrgenommen werden, wenn der Ehegatte selbst überfordert ist oder aus sonstigen Gründen dieses Recht nicht in Anspruch nehmen will. In diesem Fall hat er dies mitzuteilen, damit ein Betreuungsverfahren eingeleitet werden kann.