Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1095
Unter Loyalitätspflichten, auch Treuepflichten genannt, versteht man die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebende Nebenpflicht des Arbeitnehmers zur Wahrung der Interessen des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen, seine Rechte so auszulegen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und den Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann. Nach § 241 Abs. 1 BGB besteht eine Rücksichtnahmepflicht.
Rz. 1096
Die Geltungsdauer der Loyalitätspflicht ist nicht auf das bestehende Arbeitsverhältnis beschränkt. Vielmehr können Loyalitätspflichten bereits mit der Aufnahme der auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages gerichteten Verhandlungen beginnen und über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus, etwa in der Pflicht, bestimmte Geschäftsgeheimnisse weiterhin zu wahren, fortbestehen.
Rz. 1097
Umfang und Grenzen der Loyalitätspflichten können nicht abstrakt definiert werden, sondern sind nach den Umständen des Einzelfalles, etwa der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, der Art der ausgeübten Tätigkeit, der Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie der Art des Unternehmens zu bestimmen. So werden bspw. an leitende Angestellte wegen ihrer größeren Verantwortung für die Erreichung der Unternehmensziele und des ihnen entgegengebrachten höheren Vertrauens besondere Treueanforderungen gestellt. Besondere Treuepflichten ergeben sich für Arbeitnehmer in Tendenzbetrieben und in kirchlichen Einrichtungen sowie für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst (vgl. Schaub, ArbRHB, § 127 Rn 128a) Treupflichten bestehen unter Umständen sogar über die betriebliche Tätigkeit hinaus im privaten Bereich des Arbeitnehmers.
a) Einzelfälle
Rz. 1098
Von den einzelnen Loyalitätspflichten sind insb. die Nachfolgenden besonders zu erwähnen:
Abwerbung
Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ist es dem Arbeitnehmer untersagt, Mitarbeiter für ein eigenes oder fremdes Unternehmen abzuwerben. Erlaubt sind aber Informationen an Kollegen zum eigenen Arbeitgeberwechsel oder die Mitteilung einer beabsichtigten Selbstständigkeit (vgl. BAG v. 26.6.2008 – 2 AZR 190/07).
Rz. 1099
Anzeigen
Aus der Verpflichtung des Arbeitnehmers zum sorgfältigen Umgang mit den Einrichtungen und den Arbeitsmitteln des Betriebes ergibt sich die weitere Verpflichtung, Störungen und Schäden in seinem Arbeitsbereich dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen und i.R.d. ihm Möglichen und Zumutbaren selbst zu beheben. Geht eine Schädigung eines Arbeitgebers vom rechtswidrigen Verhalten eines Arbeitskollegen aus, der bspw. Arbeitserzeugnisse, Werkzeuge oder Materialien des Betriebes stiehlt oder unterschlägt, ist der Arbeitnehmer aufgrund der Loyalitätspflicht gehalten, den Arbeitgeber zu unterrichten und mithin andere Arbeitskollegen "anzuschwärzen" (BAG v. 18.6.1970, DB 1970, 1598; LAG Berlin v. 9.1.1989, BB 1989, 630). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die schädigende Handlung im Arbeitsbereich des Arbeitnehmers abspielt und Wiederholungsgefahr besteht (vgl. LAG Hamm v. 29.7.1994 – 18 (2) Sa 2016/93). Eine Pflicht zur Selbstbezichtigung bei einem Treueverstoß besteht allerdings nicht (BGH v. 3.7.2003 – 2 AZR 235/02).
Rz. 1100
Kirchlicher Dienst
Arbeitnehmern in kirchlichen Einrichtungen obliegen besondere Loyalitätspflichten. Besonderheiten ergeben sich insb. aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV, wonach Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre Angelegenheiten selbst ordnen und verwalten (vgl. BVerfG v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12). Insb. die katholische Kirche hat eigene kirchenrechtlich verbindliche Regelungen zu Loyalitätspflichten und deren Verletzung kodifiziert. So bestimmt Art. 5 Abs. 2 GrOkathK eine differenziert gefasste Generalklausel mit Regelbeispielen von Loyalitätsverstößen, die die Kirche für eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen für schwerwiegend und ausreichend ansieht, bspw. einen Verstoß gegen das kirchliche Eherecht, eine Scheidung oder die homosexuelle Betätigung. Für den Bereich der evangelischen Kirche enthält die Loyalitätsrichtlinie vom 2.12.2016 verbindliche kirchengesetzliche Festlegungen.
Vermehrt prüfen die Arbeitsgerichte die Vereinbarkeit kirchlicher Loyalitätsrichtlinien mit dem KSchG.
Rz. 1101
Auch bei Kündigungen wegen enttäuschter Loyalitätserwartungen eines kirchlichen Arbeitgebers kann aber die stets erforderliche Interessenabwägung im Einzelfall zu dem Ergebnis führen, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumutbar und die Kündigung deshalb unwirksam ist. Nach der Entscheidung des BAG v. 8.9.2011 sind das Selbstverständnis der Kirchen einerseits und das Recht des Arbeitnehmers andererseits auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in jedem Einzelfall gegeneinander abzuwägen (vgl. BAG v. 8.9.2011, FA 2011, 299).
Das BVerfG legt in seiner E...