Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1475
Als Schmiergeld (Oberbegriff: Vorteilsannahme) können in dem hier vorliegenden Zusammenhang alle solchen Vorteile bezeichnet werden, die ein Arbeitnehmer als Gegenleistung dafür erhält oder fordert, dass er einen Dritten bei dem Bezug von Waren oder Leistungen sonstiger Art in unlauterer Weise bevorzugt. Eine entsprechende Definition, wenn auch in wettbewerbsrechtlichem Zusammenhang, befand sich bis 1997 in § 12 UWG (näher hierzu HGB/Grundmann, VI Rn 288).
Rz. 1476
Der Rückgriff auf das Wettbewerbsrecht liegt auch bei der Konkretisierung des Umganges dieser Vorteile nahe, worunter nicht schon die üblichen, geringwertigen Werbegeschenke wie Kugelschreiber oder Feuerzeug fallen, ebenso wenig wie ein Kalender zum Jahreswechsel oder naturgemäß die Trinkgelder in der Dienstleistung. Entscheidendes Merkmal ist der Wert des Geschenkes, wobei stets eine Einzelfallbetrachtung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte erforderlich ist (Schaub, ArbRHB, § 53 Rn 35ff.).
Rz. 1477
Angebotene Schmiergelder hat der Arbeitnehmer zurückzuweisen, da dies einen evidenten Verstoß gegen die ihm ggü. dem Arbeitgeber obliegende Loyalitätspflicht bedeuten würde. Im Regelfall ist er verpflichtet, den Arbeitgeber über jedes derartiges Angebot zu informieren. Wer im geschäftlichen Verkehr Schmiergelder annimmt oder verspricht, damit er selbst oder andere beim Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt wird, macht sich nach § 299 StGB strafbar (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren) (früher § 12 UWG).
Rz. 1478
Eine Annahme von Vorteilen ist Angestellten des öffentlichen Dienstes untersagt (§ 10 BAT, § 3 Abs. 2 TVöD, § 3 Abs. 3 TV-L). Beschäftigte dürfen von Dritten Belohnungen, Geschenke, Provisionen oder sonstige Vergünstigungen nicht ohne Zustimmung des Arbeitgebers annehmen. Die Annahme von Vorteilen ist gem. § 331 StGB für Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete strafbar.
Rz. 1479
Der Empfänger des angebotenen oder geforderten Schmiergeldes hat darauf keinen Anspruch, weil die entsprechende Vereinbarung gem. § 138 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig ist (BGH v. 14.3.1991 – VII ZR 342/89). Die Nichtigkeit erstreckt sich sogar auf den durch das Schmiergeld zustande gekommenen Vertrag, es sei denn, die Schmiergeldzahlung hätte auf den Inhalt des Hauptvertrages keinerlei Einfluss haben können. Der Vertrag ist aber in der Regel schwebend unwirksam (§ 177 BGB), da der Vertreter ohne die Offenlegung der Bestechung nicht befugt ist, den Vertrag abzuschließen (Palandt/Heinrichs, BGB, § 138 Rn 63).
Rz. 1480
Die Forderung oder Annahme von Schmiergeldern rechtfertigt im Regelfall eine ordentliche Kündigung. Die Rspr. sieht einen Verstoß gegen das Schmiergeldverbot auch an sich als Rechtfertigung für fristlose Kündigungen (BAG v. 21. 6. 2001 – 2 AZR 30/00; LAG Rheinland-Pfalz v. 28.10.2011 – 9 Sa 56/11, n.v.), so z.B. für die Forderung eines Schmiergeldes von 400,00 DM für die Erteilung eines großen Auftrages. Dabei spielte auch keine Rolle, dass der Arbeitnehmer seine übrigen arbeitsvertraglichen Pflichten durch die Auftragsgestaltung voll erfüllt und die Interessen des Arbeitgebers gewahrt hatte. Ob der Arbeitgeber durch die Schmiergeldannahme einen Schaden erlitten hat, ist ebenso wenig entscheidend. Es reicht vielmehr aus, dass der gewährte Vorteil grds. die Gefahr begründet, der Annehmende werde nicht mehr nur die Interessen des Arbeitgebers wahrnehmen (BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 974/94). Ebenso wenig schützt eine Betriebszugehörigkeit von ca. zehn Jahren den Arbeitnehmer vor diesen Folgen der "groben Treuepflichtverletzung" (LAG Schleswig-Holstein v. 10.10.2000 – 3 Sa 285/00). Gleiches gilt für die Forderung nach Zahlung von "Provision", wenn dies mit dem eigenen Arbeitgeber nicht vereinbart ist. Auch hierfür ist selbst bei 30-jähriger Betriebszugehörigkeit eine fristlose Kündigung als gerechtfertigt angesehen worden (ArbG Frankfurt am Main v. 8.10.1998 – 4 Ca 9237/97). Eine fristlose (Verdachts-) Kündigung ist selbst für den in der Praxis häufigen Fall nicht ausgeschlossen, dass zwischen der Annahme des Schmiergeldes und dessen Entdeckung ein längerer Zeitraum, z.B. sieben bis acht Jahre, liegt (LAG Hamm v. 18.9.2000 – 17 Sa 551/00). Selbst die außerordentliche Kündigung eines tariflich unkündbaren Arbeitnehmers wird – ggf. mit angemessener Auslauffrist – vom BAG zugelassen (BAG v. 21.6. 2001 – 2 AZR 30/00).
Rz. 1481
Auf die vorherige ausdrückliche Untersagung durch den Arbeitgeber kommt es ebenfalls nicht an. Ausschlaggebend ist die Stellung des Arbeitnehmers im eigenen Unternehmen und der dem Arbeitgeber entstandene Schaden. Eine vorherige Abmahnung ist wegen der durch das Schmiergeld eintretenden schweren Störung des Vertrauensverhältnisses und des erheblichen Schadensrisikos für den Arbeitgeber regelmäßig nicht notwendig (Küttner, Personalbuch, "Schmiergeld", Rn 4 m.w.N.). Daneben macht sich der Arbeitnehmer sch...