Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 308
Die rechtlich geschützten Interessen des Arbeitgebers und Dritter haben nur dann Vorrang, wenn für die ärztliche Untersuchung des Arbeitnehmers ein begründeter Anlass besteht. Dies ist etwa bei Seuchengefahr oder ansteckenden gefährlichen Krankheiten der Fall (MünchArbR/Blomeyer, § 51 Rn 26). Die nur anonyme Meldepflicht einer HIV-Infektion nach § 7 Abs. 3 IfSG begründet auch für medizinisches Personal nur eingeschränkte arbeitsvertragliche Offenbarungspflichten (LSG Stuttgart v. 29.11.2006, Rechtsmedizin 17, 332).
Rz. 309
§ 32 JArbSchG sieht vor, dass Jugendliche bei Eintritt in das Berufsleben nur beschäftigt werden dürfen, wenn sie innerhalb der letzten 14 Monate von einem Arzt untersucht worden sind und dem Arbeitgeber eine von diesem Arzt ausgestellte Bescheinigung vorlegen. Nach § 33 JArbSchG hat sich der Arbeitgeber ein Jahr nach Aufnahme der ersten Beschäftigung die Bescheinigung eines Arztes darüber vorlegen zu lassen, dass der Jugendliche nachuntersucht worden ist. Dies darf nicht länger als drei Monate zurückliegen.
Rz. 310
Die Untersuchung des Arbeitnehmers durch einen Arzt ist i.d.R. geboten, um dessen Arbeitsunfähigkeit festzustellen. Das Aufsuchen eines Arztes auf entsprechendes Anfordern des Arbeitgebers enthält konkludent die Einwilligung in die ärztliche Untersuchung. Zur Einwilligung kann der Arbeitnehmer auch aufgrund seiner Rücksichtspflicht ggü. dem Arbeitgeber verpflichtet sein (MünchArbR/Blomeyer, § 95 Rn 15).
Rz. 311
Eine Duldungspflicht des Arbeitnehmers hinsichtlich der ärztlichen Untersuchung kann sich darüber hinaus auch aus (kollektiv-)vertraglichen Bestimmungen ergeben. So kann etwa der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst "bei gegebener Veranlassung durch einen Vertrauensarzt oder das Gesundheitsamt feststellen lassen, ob der Angestellte dienstfähig oder frei von ansteckenden oder ekelerregenden Krankheiten ist". Weigert sich der Arbeitnehmer, an der zulässiger Weise angeordneten Untersuchung mitzuwirken, stellt diese Weigerung eine Verletzung einer Nebenpflicht des Arbeitsvertrages dar, die bei Beharrlichkeit nach einschlägigen Abmahnungen eine Kündigung rechtfertigen kann (LAG Köln v. 17.3.2006, AE 2007, 326). Hierbei kann von Bedeutung sein, ob sich der Arbeitnehmer in einem entschuldbaren Rechtsirrtum über seine Mitwirkungspflichten befand (BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 811/11), er also vertretbare Gründe für seine Weigerung hatte, auf deren Richtigkeit er vertraute und die er dem Arbeitgeber auch mitgeteilt hat. Die Verweigerung einer amtsärztlichen Untersuchung ist hingegen berechtigt, wenn der Arbeitgeber überschießende Angaben zu Problemen des Arbeitnehmers bei der Arbeit gemacht und Fragen gestellt habe, die über eine bloße Beurteilung der Leistungsfähigkeit hinausgingen und vielmehr ein Eingriff in das allg. Persönlichkeitsrecht zu werten sei (LAG Berlin-Brandenburg v. 24.8.2012 – 6 Sa 568/12). Der Arbeitgeber sollte sich stets auf eine sachliche Darstellung beschränken, um den Amtsarzt nicht voreingenommen zu machen.