Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1813
Der Umstand, dass soziale Medien wie Facebook/Meta/Instagram oder Twitter, aber auch Xing oder LinkedIn längst auch in der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken sind, führt zu einer deutlichen Risiko-Erhöhung für den Arbeitgeber. Es ist leicht, mit wenigen Klicks Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse einem großen Empfängerkreis zugänglich zu machen. Das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein solches Verhalten umfassend sanktioniert ist. Bereits das Weiterleiten einer E-Mail an einen externen E-Mail-Account ist als ein durch § 4 Abs. 1 Nr. 1 GeschGehG geschützter Kopiervorgang zu verstehen (vgl. LAG Hamm v. 23.6.2021 – 10 SaGa 9/21, juris Rn 32).
Rz. 1814
Neben den strafrechtlichen Sanktionen gem. §§ 23 GeschGehG, 404 AktG, 85 GmbHG sowie ggf. auch aus §§ 242, 246, 266 StGB, bei deren Tatbestand das erforderliche subjektive Element zu berücksichtigen ist, und neben Schadensersatzansprüchen nach §§ 280 Abs. 1 S.1, 241 Abs. 2 BGB bzw § 10 GeschGehG wird der Verrat von Geschäftsgeheimnissen regelmäßig einen Grund zur ordentlichen oder auch je nach Schwere des Verstoßes und des Verschuldens zur fristlosen Kündigung gem. § 626 BGB darstellen (vgl. ErfK/Preis, § 611a Rn 818; Küttner/Kania, Verschwiegenheitspflicht, Rn 15; Scholz/Schneider/Schneider, GmbHG, § 35 Rn 486 ff.; Koch, AktG, § 93 Rn 70; BAG v. 25.4.1991, NZA 1992, 212; BAG v. 26.9.1990). Löscht der Arbeitnehmer erforderliche betriebliche Dateien und/oder E-Mails unberechtigt und entzieht sie so dem Zugriff der Arbeitgeberin, ist ein solcher Sachverhalt grds. geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben (vgl. LAG Hamburg v. 17.11.2022 – 3 Sa 17/22, juris Ls. 1). Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer Kopien betrieblicher Dateien, die er in seinem Besitz hat, pflichtwidrig nicht an die Arbeitgeberinnen herausgibt (vgl. LAG Hamburg v. 17.11.2022 – 3 Sa 17/22, juris Ls.2 S. 2).
Rz. 1815
Wer geheime Forschungsergebnisse verrät oder Kundenlisten weitergibt, begeht eine schwerwiegende Pflichtverletzung, die eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar macht (Taeger, AuA 1992, 201). Ggf. ist eine Verdachtskündigung relevant. Nur in geringen Fällen kommt eine Abmahnung in Betracht. Ferner bestehen die in §§ 6 ff. GeschGehG aufgeführten Ansprüche des Arbeitgebers, insbesondere auf Beseitigung, Unterlassung, Vernichtung, Auskunft und Haftung.
Rz. 1816
Allerdings scheidet eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses mangels Begehungs- oder Wiederholungsgefahr aus, wenn aufgrund der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsbeklagten feststeht, dass dieser gar nicht mehr im Besitz des Geschäftsgeheimnisses ist. Der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bedarf es in diesen Fällen nicht (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 18.8.2021 – 4 SaGa 1/21, juris Ls. und Rn 43 und 47, im Anschluss an LAG Rheinland-Pfalz v. 25.1.2021 – 3 SaGa 8/20, juris). Demgegenüber vertritt das LAG Hamm die Auffassung, dass die Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Nutzung und Offenlegung i.S.v. § 4 Abs. 2 GeschGehG nicht bereits durch die an Eides statt versicherte Löschung sämtlicher Daten und die ebenfalls versicherte Nichtweitergabe an Dritte widerlegt ist. Es verlangt für den Wegfall der Wiederholungsgefahr eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Allein durch die Löschung der Daten entfällt lediglich der Beseitigungsanspruch aus § 6 S. 1 Alt. 1 GeschGehG. Insofern kommt in diesen Fällen lediglich als vorbeugender Anspruch § 6 S. 2 GeschGehG in Betracht (vgl. LAG Hamm v. 23.6.2021 – 10 SaGa 9/21, juris).
Rz. 1817
Ein Betriebsratsmitglied kann nach der Neuwahl des Betriebsrats nicht wegen einer in der abgelaufenen Amtszeit begangenen groben Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten nach § 23 Abs. 1 BetrVG aus dem neu gewählten Betriebsrat ausgeschlossen werden. Insofern führen Verschwiegenheitsverletzungen aus einer vorausgegangenen Amtsperiode nicht zum Ausschluss aus dem neu gewählten Betriebsrat (vgl. BAG v. 27.7.2016 – 7 ABR 14/15; kritisch Vollstädt, DB 2017,670).