Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 116
Für den Mitarbeiter kann die Alkoholisierung während der Arbeit in mehrfacher Weise Konsequenzen haben:
Rz. 117
Minderung des Entgelts
Der Mitarbeiter verliert für die Zeit, in der er alkoholbedingt seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, seinen Entgeltanspruch (LAG Schleswig-Holstein v. 28.11.1988, DB 1989, 630).
Rz. 118
Ausschluss der Entgeltfortzahlung
Erleidet ein Arbeitnehmer alkoholbedingt einen Unfall (Verkehrsunfall bei Trunkenheitsfahrt, Sturz), in dessen Folge er arbeitsunfähig krank ist, können Entgeltfortzahlungsansprüche nach § 3 Abs. 1 EFZG ausgeschlossen sein, soweit der Unfall selbst verschuldet war. Ein derartiges Verschulden ist zu bejahen, wenn der Unfall durch Alkoholmissbrauch herbeigeführt worden ist, ohne dass eine andere Ursache dabei mitgewirkt hat.
Rz. 119
Das Entstehen einer Arbeitsunfähigkeit ist als solches nicht verschuldet i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. Auch bei einem Rückfall nach einer erfolgreich durchgeführten Therapie wird es regelmäßig an einem Verschulden in diesem Sinne fehlen (vgl. BAG v. 18.3.2015 – 10 AZR 98/14).
Rz. 120
Abmahnung
Alkoholbedingte Schlecht- oder Minderleistung sowie der Verstoß gegen ein bestehendes Alkoholverbot können mitbestimmungsfrei abgemahnt werden. In der Praxis ist in diesem Fall die Erteilung einer Abmahnung auch zur Abschreckung potenzieller Nachahmer und zur Vorbereitung einer verhaltensbedingten Kündigung zu empfehlen (s. zur Abmahnung Rdn 1 ff.). Auch bei Verstößen gegen ein bestehendes absolutes Alkoholverbot ist eine Abmahnung nicht generell entbehrlich (LAG Rheinland-Pfalz v. 8.2.2008 – 9 Sa 759/07).
Rz. 121
Besonderheiten bestehen auch hier, wenn dem alkoholbedingten Fehlverhalten eine Alkoholsucht/Alkoholerkrankung zugrunde liegt. Da eine Krankheit kein vertragswidriges Verhalten darstellt und der Arbeitnehmer suchtbedingt sein Verhalten nicht ändern kann, scheidet begrifflich eine Abmahnung aus. In der Praxis sollte der Arbeitnehmer gleichwohl ähnlich einer Abmahnung auf seine alkoholbedingten Arbeitsausfälle schriftlich hingewiesen werden, um so etwa den Druck auf den Mitarbeiter im Hinblick auf die Teilnahme an einer Entziehungskur zu erhöhen.
Rz. 122
Kündigung
Alkoholgenuss im privaten Bereich kann nur in Ausnahmefällen eine Kündigung rechtfertigen, z.B. bei einem Kraftfahrer, dem infolge privater Trunkenheitsfahrt der Führerschein entzogen wird und für den im Betrieb keine andere Einsatzmöglichkeit besteht (BAG v. 30.5.1978, BB 1978, 1310 = DB 1978, 1790).
Rz. 123
Dagegen kommt eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung wegen (übermäßigem) Alkoholgenuss oder Alkoholisierung während der Arbeit grds. in Betracht (vgl. BAG v. 26.1.1995 – 2 AZR 649/94). Verhaltensbedingte Kündigungsgründe können zum einen in einem Verstoß gegen ein betriebliches Alkoholverbot oder in der schuldhaften Schlecht-, Minder- oder Nichtleistung der Arbeit infolge Alkoholgenusses liegen.
Rz. 124
Liegt dagegen eine krankhafte Alkoholsucht vor, kommt nur eine Kündigung aus personenbedingten Gründen in Betracht (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 10.2.2011, PflR 2011, 338; BAG 12.12.2012 – 2 AZR 32/11). Insoweit gelten dieselben Anforderungen wie bei krankheitsbedingten Kündigungen. Einer negativen Zukunftsprognose steht eine im Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung bestehende Therapiebereitschaft des Arbeitnehmers entgegen. Eine derartige Bereitschaft ist zu unterstellen, wenn der Arbeitnehmer eine vom Arzt angeordnete ambulante Behandlung durchführt. Ein alkoholkranker Arbeitnehmer kann damit im Fall seiner Therapiebereitschaft aus personenbedingten Gründen wohl erst nach erfolgloser Entziehungskur entlassen werden (LAG Hamm v. 21.9.2007, ArbuR 2008, 75; BAG v. 16.9.1999, DB 2000, 93, 94).
Rz. 125
Muster 21.5: Abmahnung wegen Alkoholisierung am Arbeitsplatz
Muster 21.5: Abmahnung wegen Alkoholisierung am Arbeitsplatz
Sehr geehrte/r Frau/Herr _________________________,
am _________________________ um _________________________ Uhr wurden Sie in alkoholisiertem Zustand an Ihrem Arbeitsplatz angetroffen. Sie hatten eine Alkoholfahne, Ihr Gang war schwankend und Ihre Stimme lallend. Ihr Vorgesetzter musste Sie deshalb von Ihrem Arbeitsplatz entfernen (ggf. Auswirkungen der Trunkenheit auf die Arbeitsleistung sind konkret aufzulisten).
Ihr Verhalten stellt eine Verletzung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten/einen Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot dar. Wir sind nicht gewillt, ein derartiges Verhalten weiterhin zu dulden, mahnen Sie hiermit ab und fordern Sie auf, Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zukünftig uneingeschränkt zu erfüllen/das betriebliche Alkoholverbot zukünftig zu beachten.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass Sie im Wiederholungsfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses zu rechnen haben.
Ort, Datum,
_________________________
Geschäftsleitung