Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 697
Der Arbeitgeber hat das Recht die Diensterfindung nach den Vorgaben des § 6 ArbnErfG in Anspruch zu nehmen. Die Inanspruchnahme hat nach § 7 Abs. 1 ArbnErfG die Wirkung, dass alle Rechte an der Erfindung auf den Arbeitgeber übergehen.
Rz. 698
Die Inanspruchnahme einer Erfindung i.S.d. § 6 ArbnErfG ist ihrer Rechtsnatur eine empfangsbedürftige, rechtsgestaltende Willenserklärung, bei der bei Nichteinhaltung der Schriftformerfordernisse die Nichtigkeitsfolge des § 125 BGB eintritt (BGH v. 4.4.2006 – X ZR 155/03, GRUR 2006, 754 – Haftetikett). Das Recht des Arbeitgebers zur Inanspruchnahme ist nicht von der Zustimmung des Arbeitnehmererfinders abhängig.
Rz. 699
Mit Umsetzung des Patentrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1.10.2009 gilt nach § 6 Abs. 2 ArbnErfG die Fiktion der Inanspruchnahme. Danach gilt die Inanspruchnahme als erklärt, wenn der Arbeitgeber die Diensterfindung nicht innerhalb von vier Monaten nach ordnungsgemäßer Erfindungsmeldung freigibt. Wie die Erfindungsmeldung kann die Freigabe gem. § 6 Abs. 2 S. 1 ArbnErfG "in Textform" erfolgen und damit bspw. auch in einer E-Mail erklärt werden. Eine gesonderte Inanspruchnahme durch schriftliche Erklärung ggü. dem Arbeitnehmer, wie sie in § 6 Abs. 2 S. 1 ArbnErfG a.F. noch vorausgesetzt wurde, ist nunmehr nicht mehr erforderlich. Zu beachten ist, dass die neuen Regelungen nur für solche Erfindungen gelten, die nach Inkrafttreten des Modernisierungsgesetzes, d.h. nach dem 1.10.2009 gemeldet wurden (§ 43 Abs. 3 ArbnErfG). Die bisherige Regelung des § 6 Abs. 2 ArbnErfG a.F. bleibt damit für Erfindungsmeldungen vor dem 1.10.2009 einschlägig. Damit ist in diesen "Altfällen" immer noch zu prüfen, ob die Inanspruchnahme schriftlich erfolgt ist. Ferner musste die Inanspruchnahmeerklärung nach § 6 Abs. 2 S. 2 ArbnErfG a.F. "sobald wie möglich" abgegeben werden, spätestens bis zum Ablauf von 4 Monaten nach Eingang der ordnungsgemäßen Meldung. Es handelt sich hierbei um eine Ausschlussfrist (BGH v. 4.4.2006 – X ZR 155/03, GRUR 2006, 754 – Haftetikett).
Rz. 700
Für Erfindungsmeldungen vor dem 1.10.2009 ist ferner zu beachten, dass bei Unterbleiben einer i.S.d. § 5 Abs. 1 ArbnErfG ordnungsgemäßen (insb. schriftlichen) Erfindungsmeldung, die 4-Monats-Frist des § 6 Abs. 2 S. 2 ArbnErfG a.F. i.d.R. nach der Rechtsprechung jedenfalls dann zu laufen begann, wenn der Arbeitgeber die Diensterfindung mit dem Inhalt der vom Arbeitnehmererfinder entwickelten Lehre zum technischen Handeln zum Patent angemeldet und dabei alle daran beteiligten Erfinder benannt hat, da der Arbeitgeber damit dokumentiert, dass er bereits über die Erkenntnisse verfügt, die ihm der Arbeitnehmererfinder durch die Erfindungsmeldung verschaffen soll (BGH v. 12.4.2011 – X ZR 72/10, GRUR 2011, 733 – Initialidee; BGH v. 4.4.2006 – X ZR 155/03, GRUR 2006, 754 – Haftetikett). Anders als auf die Erfindungsmeldung kann in diesen Fällen auf die Inanspruchnahme nicht verzichtet werden, da es sich bei der Inanspruchnahmeerklärung um eine empfangsbedürftige Willenserklärung und nicht, wie bei der Erfindungsmeldung, um eine Wissenserklärung handelt.
Rz. 701
Der Lauf einer erst durch die Schutzrechtsanmeldung des Arbeitgebers in Gang gesetzten Inanspruchnahmefrist nach § 6 Abs. 2 S. 2 ArbnErfG a.F. beginnt erneut, wenn der Arbeitnehmererfinder nach einer berechtigten Aufforderung durch den Arbeitgeber, die noch vor Fristablauf erfolgt ist, eine schriftliche Erfindungsmeldung nachreicht (LG München, 8.7.2013 – 7 O 6031/12).
Rz. 702
Bei Erfindungsmeldungen vor dem 1.10.2009 führt die Versäumung der Frist dazu, dass das Inanspruchnahmerecht des Arbeitgebers untergeht und somit die Erfindung des Arbeitnehmers nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 ArbnErfG a.F. frei wird. Der Arbeitnehmererfinder kann dann die Übertragung des Schutzrechts vom Arbeitgeber nach § 8 PatG bzw. § 13 Abs. 3 GebrMG verlangen, wenn dieser das Schutzrecht in seinem Namen angemeldet hat, wobei die Frist des § 8 S. 3 PatG zu beachten ist (OLG Düsseldorf, 24.10.2013 – I-2 U 24/12). Aufgrund des Rechtscharakters der Vier-Monats-Frist des § 8 Abs. 1 Nr. 3 ArbnErfG a.F. als Ausschlussfrist kommt eine "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand", eine Hemmung und eine Fristverlängerung durch Vereinbarung nicht in Betracht. Allerdings kann die Geltendmachung des Ablaufs einer solchen Ausschlussfrist unter Umständen eine unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB beinhalten.
Rz. 703
Die Rechtswirkungen der Inanspruchnahme beurteilten sich in der Vergangenheit danach, ob der Arbeitgeber nach § 6 Abs. 1 ArbnErfG eine Diensterfindung uneingeschränkt oder beschränkt in Anspruch nimmt (Wahlrecht).
Rz. 704
Im Fall der (uneingeschränkten) Inanspruchnahme gehen mit Zugangserklärung beim Arbeitnehmer sämtliche Rechte an der Diensterfindung auf den Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 ArbnErfG über. Dieser hat dann das volle Verwertungs- und Verfügungsrecht an der Erfindung und es steht ihm das Recht zu, den geschützten Gegenstand herzustellen, in der Öffentlichkeit anzubieten und zu vertreiben,...