Rz. 865

Der Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ist in der deutschen Rechtsordnung keine allgemeingültige Anspruchsgrundlage (BAG v. 21.6.2000, NZA 2000, 1050 f.). Im Bereich der Vergütungszahlung kommt der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zur Anwendung, wenn es sich um individuell vereinbarte Löhne und Gehälter handelt und der Arbeitgeber nur einzelne Arbeitnehmer besserstellt (BAG v. 13.2.2002, NZA 2003, 215). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind bei der Vergütung wie auch anderen individuell vereinbarten Vertragsbedingungen (geldwerte Vorteile, z.B. private Nutzung von Handy und Pkw) bis hin zur Grenze der Sittenwidrigkeit frei. Verboten sind die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe und vor allem eine sachfremde Gruppenbildung. Berücksichtigt ein Arbeitgeber bei einer Sonderzahlung unterschiedliche Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern und bezweckt er mit der Sonderzahlung eine geringere laufende Vergütung einer Gruppe von Arbeitnehmern teilweise oder vollständig auszugleichen, verstößt er nicht gegen den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung und das Maßregelungsverbot des § 612a BGB, wenn er der Gruppe von Arbeitnehmern die Sonderzahlung vorenthält, die nicht bereit war, im Rahmen eines Standortsicherungskonzepts Änderungsverträge mit für sie ungünstigeren Arbeitsbedingungen abzuschließen. Erschöpft sich der Zweck einer Sonderzahlung nicht in einer Kompensation geringerer laufender Arbeitsvergütung, sondern verfolgt der Arbeitgeber mit dieser Leistung nach den von ihm festgesetzten Anspruchsvoraussetzungen noch andere Ziele, wie z.B. die Honorierung vergangener und künftiger Betriebstreue, ist es sachlich nicht gerechtfertigt, die Gruppe von Arbeitnehmern von der Sonderzahlung auszunehmen, die Änderungsangebote des Arbeitgebers mit für sie ungünstigeren Arbeitsbedingungen abgelehnt hatte (BAG v. 5.8.2009 10 AZR 666/08 = NZA 2009, 1135). Siehe zur Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des "equal pay" BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 259/13 und BAG v. 23.10.2013 – 5 AZR 667/12.

 

Rz. 866

Es verstößt nicht gegen den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn einer Gruppe von Arbeitnehmern ein höheres Arbeitsentgelt gezahlt wird als anderen Arbeitnehmern, die die gleichen tariflichen Eingruppierungsmerkmale erfüllen, weil andernfalls die Arbeitsplätze der begünstigten Gruppe nicht besetzt werden könnten (BAG v. 23.8.1995, BB 1996, 855 = DB 1996, 834).

 

Rz. 867

Regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit wurden bisher mit unterschiedlichen Zuschlägen versehen, weil sich der Körper auf eine unregelmäßige Nachtschicht nicht so gut einstellen könne. Das BAG hat in einer Einzelfallentscheidung die unterschiedliche Zuschlagshöhe für unzulässig gehalten. Sie verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 GG. Daher muss der Arbeitgeber dort nunmehr den höheren Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit auch dann bezahlen, wenn die Nachtarbeit in regelmäßigen Nachtschichten erbracht wird (sog. Anpassung nach oben). Eine weitere Entscheidung legte das BAG (ebenfalls v. 9.12.2020 – 10 AZR 332/20) dem EuGH zur Vorabentscheidung vor, ob tarifvertragliche Regelungen mit Unionsrecht vereinbar sind, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Ausgleich vorsehen als für regelmäßige Nachtarbeit.

 

Rz. 868

Anzumerken ist, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, auch Nachtarbeitnehmern den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen wie den übrigen Beschäftigten einzuräumen (§ 6 Abs. 6 ArbZG).

 

Rz. 869

Die Vertragsfreiheit wird erst bei einer systematischen (BAG v. 27.7.1988, BB 1988, 2178), insb. kollektiven (mind. 5 % der Belegschaft werden begünstigt, vgl. BAG v. 13.2.2002, NZA 2003, 215) Maßnahme eingeschränkt, welche eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen ggü. anderen Mitarbeitern darstellt. Zu prüfen ist daher, ob zwei vergleichbare Arbeitnehmergruppen ungleich behandelt werden, die nahezu identische Arbeitsvorgänge verrichten (BAG v. 29.9.2004, AP Nr. 192 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) und kein rechtfertigender Grund vorliegt.

 

Rz. 870

Gewährt ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes Angestellten, die nach einer Tätigkeit im Geltungsbereich des BAT (alte Bundesländer) auf einen Arbeitsplatz in den neuen Bundesländern zurückkehren, weiterhin Leistungen nach BAT (alte Bundesländer) und nicht nach dem auf diese Arbeitsverhältnisse anzuwendenden BAT-Ost, muss er andere Angestellte auf vergleichbaren Arbeitsplätzen gleichbehandeln. Allein darin, dass diese Angestellten nicht im Geltungsbereich des BAT beschäftigt waren, liegt kein sachlicher Grund für die Unterscheidung. Hat der Arbeitgeber die Leistungen nach dem BAT weitergewährt, weil er sich dazu (nach der Rspr. irrtümlich) tariflich oder gesetzlich für verpflichtet hielt, kann er diese Praxis jederzeit beenden. In diesem Fall kann für die Zukunft keiner der vergleichbaren Angestellten die Anwendung des ...

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