Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 946
Grundsätzlich hat jede Arbeitsvertragspartei selbst für ihre Interessen zu sorgen. Gesteigerte Hinweis- und Aufklärungspflichten können den Arbeitgeber allerdings dann treffen, wenn eine zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Vereinbarung auf seine Initiative hin und in seinem Interesse zustande kommt oder wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Arbeitnehmer durch eine sachgerechte und vom Arbeitgeber redlicherweise zu erwartende Aufklärung vor der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses bewahrt werden muss, weil er sich durch diese aus Unkenntnis selbst schädigen würde (BAG v. 22.1.2009, NZA 2009, 2794 = FA 2001, 214). Zum Thema Versteuerung des Arbeitseinkommens im Ausland hat das BAG in der zuvor zitierten Entscheidung eine Aufklärungspflicht wie folgt abgelehnt: "Ein Arbeitgeber muss einen Arbeitnehmer, mit dem er einen Arbeitsvertrag schließt, der einen Einsatz des Arbeitnehmers im Ausland vorsieht, bei Vertragsabschluss grundsätzlich nicht von sich aus darauf hinweisen, dass ab einer bestimmten Aufenthaltsdauer in einem ausländischen Staat dort eine Verpflichtung zur Abführung von Einkommen-/Lohnsteuer entstehen kann".
Rz. 947
Zur Aufklärungspflicht bei Versorgungsnachteilen und zu möglichen Schadensersatzverpflichtungen des Arbeitgebers hatte das BAG in zwei Entscheidungen aus dem Jahr 1984 Stellung genommen, die den Bereich der "öffentlichen Arbeitgeber" betrafen (BAG v. 13.11.1984, BB 1985, 1605 = NZA 1985, 712; BAG v. 18.9.1984, NZA 1985, 712 = BB 1985, 1605). In späteren Entscheidungen (BAG v. 10.3.1988, NZA 1988, 837 = DB 1988, 2006; BAG v. 14.2.1996, NZA 1996, 811) hat das BAG auf diese Urteile Bezug genommen und den dort aufgestellten Rechtssätzen über den Bereich des öffentlichen Dienstes hinaus und auch über die Thematik "Aufklärung über Versorgungsnachteile" hinausgreifend allgemeine Bedeutung insofern beigemessen, als die Rechtsprechungsgrundsätze auch bei mangelnder Aufklärung über nachteilige Folgen für den Bezug von Arbeitslosengeld nach einvernehmlicher Aufhebung des Arbeitsverhältnisses eingreifen. In einer anderen Entscheidung hat das BAG (v. 17.10.2000, NZA 2001, 203 = DB 2000, 2174) den Schutz der Arbeitnehmer vor nachteiligen Folgen für die Altersversorgung bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Fall noch weiter ausgebaut, dass außergewöhnlich hohe Versorgungseinbußen drohen (Versicherungsrente statt Versorgungsrente).
Rz. 948
Folgende Grundsätze zum Thema "Aufklärung über Versorgungsnachteile" lassen sich aus der BAG-Rspr. ableiten:
Der Arbeitnehmer muss sich grds. vor Abschluss des Aufhebungsvertrages über die versorgungsrechtlichen Folgen Klarheit verschaffen, wenn er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses davon abhängig machen will, in welcher Höhe er Altersrente aus der gesetzlichen oder betrieblichen Altersversorgung zu erwarten hat.
Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer allerdings aufklären, wenn die Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Billigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass der Arbeitnehmer durch eine sachgerechte und vom Arbeitgeber redlicherweise zu erwartende Aufklärung vor der Auflösung des Arbeitsverhältnisses bewahrt werden muss, weil er sich durch sie in Bezug auf die Altersversorgung aus Unkenntnis selbst schädigen würde. Den Arbeitgeber treffen sogar erhöhte Hinweis- und Aufklärungspflichten, wenn er im betrieblichen Interesse den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorschlägt und durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses außergewöhnlich hohe Versorgungseinbußen drohen (Versicherungsrente statt Versorgungsrente). In dem Fall reicht der allgemeine Hinweis auf mögliche Versorgungsnachteile und die bloße Verweisung an den Träger der Zusatzversorgung unter Einräumung einer Bedenkzeit nicht aus. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer vielmehr darauf hinweisen, dass sich seine Zusatzversorgung bei Abschluss des Aufhebungsvertrages beträchtlich verringern kann. Auch über die Ursache dieses Risikos (so BAG v. 17.10.2000, NZA 2000, 208: Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt eines Versorgungsfalles) hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in groben Umrissen zu unterrichten. In der Entscheidung v. 23.9.2003 hat das BAG klargestellt, dass ein Arbeitgeber, der ein Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt kündigt, ggü. dem Gekündigten hinsichtlich etwaiger Versorgungsnachteile nicht die gesteigerten Hinweis- und Aufklärungspflichten, wie sie bei einem von ihm veranlassten Aufhebungsvertrag bestehen, hat (BAG v. 23.9.2003, EzA BGB 2002 § 611 Nr. 1 Fürsorgepflicht).
Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen ist normalerweise davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer, der von sich aus um Auflösung des Arbeitsverhältnisses bittet oder ein Auflösungsangebot des Arbeitgebers nach Bedenkzeit annimmt, die Folgen dieses schwerwiegenden Entschlusses bedacht und sich notfalls erkundigt hat.
Erkundigt der Arbeitnehmer sich vor Auflösung des Arbeitsverhältnisses beim Arbeit...