Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1259
Die Erfüllung der Anforderungen der Darlegungs- und Beweislast ist i.d.R. streitentscheidend in Mobbingschutzprozessen. Der gemobbte Arbeitnehmer hat nachzuweisen, dass
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Handlungen vorliegen, die eine Rechtsverletzung durch Mobbing darstellen, |
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durch die Handlungen eine kausal verursachte Verletzung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers erfolgt ist, |
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der Schaden der Verletzung eines Rechtsguts zurechenbar ist, |
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der Arbeitgeber (zumindest zurechenbar) ein Verschulden an der Rechtsverletzung trifft, |
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bei psychischen Gesundheitsverletzungen oder Selbstmord des Arbeitnehmers der Arbeitgeber diese voraussehen konnte. |
Rz. 1260
Bereits an der fehlenden Darlegung eines Mobbingsachverhaltes scheiterten in der Vergangenheit neben der Nichtvornahme einer den Gesamtsachverhalt erfassenden verhaltensumfassenden Rechtswidrigkeitsprüfung durch die befassten Gerichte die meisten Mobbingschutzprozesse (vgl. die in dem LAG Thüringen v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 356 zitierten Entscheidungen sowie die Urteile des LAG Baden-Württemberg v. 5.3.2001, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Mobbing; ArbG Kassel v. 24.11.1999 – 5 Ca 174/99, n.v.; ArbG München v. 25.9.2001, NZA-RR 2002, 123 ff.).
Rz. 1261
Der Schwerpunkt der anwaltlichen Bearbeitung von Mobbingfällen liegt deshalb in der sauberen Herausarbeitung und möglichst einer den historischen Ablauf wiedergebenden Zusammenstellung der den Mobbingkomplex bildenden Verhaltensbestandteile. Dem Mandanten ist anzuraten, frühzeitig ein "Mobbing"-Tagebuch zu führen, in dem er alle Vorfälle mit Ort und Zeitpunkt, Art, Anlass, Inhalt und handelnder Person einträgt. Anderenfalls wird er kaum in der Lage sein, eine geschehensgetreue Schilderung der verbalen und nonverbalen Handlungen und der ihre systematische Verknüpfung dokumentierenden Elemente vor Gericht abgeben zu können (Kittner/Zwanziger/Deinert/Heuschmid/Becker, Rn 102). Der betroffene Arbeitnehmer muss schlüssig vortragen, wodurch er systematischem Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren unterworfen gewesen ist. Beweisangebote sind für einzelne Vorwürfe anzubieten. Mit schlagwortartigem Vortrag oder einer wertenden Zusammenfassung der Ereignisse wird die prozessuale Darlegungslast auch in Mobbingschutzprozessen nicht erfüllt.
Rz. 1262
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Mobbingsachverhaltes trägt grds. derjenige, der einen solchen Sachverhalt behauptet. Erforderlich ist ein den Ablauf und die Einzelheiten erfassender Sachvortrag, aus dem sich die entsprechenden Rückschlüsse ziehen lassen, insb. eine geschehensgetreue Schilderung der verbalen und nonverbalen Handlungen und der ihre systematische Verknüpfung dokumentierenden Elemente. Je detailgetreuer der für die Berechtigung des Mobbingvorwurfes sprechende Vortrag von Haupt- und Indiztatsachen erfolgt, umso mehr wird der Vollzug der i.R.d. gerichtlichen Prüfung im Einzelfall erforderlichen Abgrenzung zu rechtlich erlaubtem oder sozial adäquatem Verhalten gefördert (Wickler, DB 2002, 482). Schlüssiges Vorbringen zum Mobbingverhalten kann nach zutreffender Auffassung (ArbG München v. 25.9.2001, NZA-RR 2002, 123, 124) nicht durch Vorlage eines medizinischen Privatgutachtens durch die Partei ersetzt werden.
Regelmäßig sind es nur die Parteien selbst, die über den Sachverhalt am besten Bescheid wissen. Ist der Sachverhalt streitig, stellt sich die Problematik der Parteieinvernahme nach § 445 ff. ZPO. Das BAG (v. 14.11.2013 – 8 AZR 813/12) entschied, dass allein die Tatsache, dass der Kläger für seine bestrittenen Behauptungen keinen ihm möglichen Zeugenbeweis angeboten habe, dass Gericht nicht von seiner Verpflichtung zur Parteivernehmung nach § 448 ZPO entbinde. Jedoch müsse für die zu beweisende Tatsache aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit sprechen. Lehnt das Berufungsgericht eine Parteivernahme ab, müssen die Feststellungen in einer § 286 ZPO genügenden Weise getroffen sein. Dafür bedarf es der Angabe von Gründen für die Überzeugungsbildung. Im konkreten Fall ging es um die Frage, ob die behaupteten Äußerungen des Vorgesetzten tatsächlich getätigt worden waren. Die eigene Parteivernahme des Klägers schied wegen des fehlenden Einverständnisses der Beklagten aus, § 447 ZPO.
Rz. 1263
Hat ein Gericht die Schmerzensgeldklage wegen Mobbings rechtskräftig abgewiesen, kann eine erneute Schmerzensgeldklage grundsätzlich nur auf Tatsachen gestützt werden, die zeitlich nach dem bereits entschiedenen Sachverhalt entstanden sind. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung sind auch die Umstände zu berücksichtigen, die der Vorentscheidung zugrunde lagen (LAG München v. 4.2.2021 – 3 Sa 928/20).
Rz. 1264
Wird die Behauptung aufgestellt, dass die arbeitgeberseitige Ausübung von Rechten aus dem Arbeitsvertrag, wie z.B. die Ausübung des Direktionsrechtes, die Erteilung einer Abmahnung, der Ausspruch einer Versetzung oder der Ausspruch einer Kündigung, als Bestandteil einer Mobbingstrategie eingesetzt ist, dann ist es Sa...