Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
Rz. 250
Die Vorschrift des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. b) ZPO regelt drei Fälle des Verstoßes gegen das rechtliche Gehör. Ein Schiedsspruch ist aufzuheben, wenn
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eine Partei entweder von der Bestellung eines Schiedsrichters (1. Var.) oder |
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von dem Schiedsverfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt wurde (2. Var.) sowie |
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in den Fällen, in denen eine Partei aus anderen Gründen Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht geltend machen konnte (3. Var.). |
Der Aufhebungsgrund der fehlenden Gelegenheit zur Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln ist unscharf formuliert, da er nicht auf bestimmte Angriffs- und Verteidigungsmittel beschränkt ist. Insoweit kann praktisch jeder Gehörverstoß diese Auswirkungen haben. Aufgrund dieses weiten Anwendungsbereichs ist die Gehörsverletzung einer der am häufigsten geltend gemachte Aufhebungsgründe.
Hinweis
Es ist aus anwaltlicher Sicht ratsam, bei der Geltendmachung anderer Aufhebungsgründe (insb. dem Aufhebungsgrund des Verfahrensfehlers nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d) ZPO und des Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO) zu prüfen, ob der Partei dadurch auch die Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln verwehrt wurde.
Rz. 251
Die Durchführung einer virtuellen Schiedsverhandlung steht nicht im Konflikt mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör, sofern sie sachgemäß vorbereitet und durchgeführt wurde. Dies folgt bereits daraus, dass eine Gehörsverletzung im Schiedsverfahren nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen ist wie im staatlichen Gerichtsverfahren (vgl. Rdn 97), wo gem. § 128a ZPO die Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung ausdrücklich gestattet ist.
Rz. 252
Die benachteiligte Partei muss einen Gehörsverstoß im laufenden Schiedsverfahren rügen, da sie ansonsten gem. § 1027 ZPO im Aufhebungsverfahren mit diesem Einwand präkludiert ist. Insoweit obliegt es dem Parteivertreter, bereits im Schiedsverfahren sorgfältig das Vorliegen eventueller Gehörsverstöße zu prüfen und ggf. zu rügen, um diese Präklusion zu vermeiden. Im Aufhebungsverfahren muss der Antragsteller dann darlegen, dass die Entscheidung in der Sache ohne den Gehörsverstoß anders ausgefallen wäre.