Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
Rz. 69
Der BGH hat die zuvor kontrovers diskutierte Frage geklärt, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen Beschlussmängelstreitigkeiten bei der GmbH der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen werden können. Er hat sich zudem wiederholt zu Schiedsvereinbarungen geäußert, die Beschlussmängelstreitigkeiten im Personengesellschaftsrecht erfassen sollen. Für die AG steht eine Klärung noch aus.
aa) Problematische Konstellationen
Rz. 70
Im Ausgangspunkt problematisch sind Anfechtungsklagen nach § 246 AktG (analog) und Nichtigkeitsklagen nach § 249 AktG (analog) sowie die sog. positiven Beschlussfeststellungsklagen gerichtet auf Feststellung des "tatsächlichen" Inhaltes eines fehlerhaften Beschlusses. Die Klagen sind jeweils gegen die Gesellschaft als Klagegegner gerichtet und zielen auf eine gerichtliche Entscheidung mit sog. erga omnes-Wirkung, d.h. für und gegen alle (künftigen) Gesellschafter und die Gesellschaft (vgl. §§ 248 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG), und zwar unabhängig von der Beteiligung im Prozess.
Hingegen wurde nach ständiger Rspr. bei Personengesellschaften die Nichtigkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung durch die Erhebung einer allgemeinen Feststellungsklage gegen die übrigen Gesellschafter geltend gemacht, sofern der Gesellschaftsvertrag keine gegenteilige Regelung trifft. Die Feststellungswirkung eines Urteils beschränkt sich auf die an dem Rechtsstreit beteiligten Gesellschafter (inter-partes-Wirkung). Diese Rechtslage hat sich jedoch geändert aufgrund des seit dem 1.1.2024 geltenden neuen Personengesellschaftsrechts, das erstmals ein Beschlussmängelrecht für Personengesellschaften enthält. Denn nach §§ 110 ff. HGB n.F. soll künftig bei Personengesellschaften die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Gesellschafter der gesetzliche Regelfall sein, wobei eine abweichende Regelung zum Beschlussmängelrecht im Gesellschaftsvertrag getroffen werden kann (§ 108 HGB n.F.).
bb) "Schiedsfähigkeit I"-Urteil des BGH
Rz. 71
Zunächst hatte der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 1996 zwar zahlreiche Bedenken gegen die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten im Recht der GmbH ausgeräumt. Gleichwohl lehnte er die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten ab und sah wegen zahlreicher regelungsbedürftiger Punkte den Gesetzgeber gefordert. Diese Aspekte betrafen weniger die objektive Schiedsfähigkeit des Streitgegenstandes als die nach Ansicht des BGH unzureichende Wirkungserstreckung eines Schiedsspruches. Eine Bindungswirkung ggü. Dritten könne nicht eintreten, da das Schiedsgericht zu einem derartigen Ausspruch nicht befugt sei, wenn sich die dritten Parteien der Entscheidung des Schiedsgerichts nicht zuvor unterworfen hätten.
cc) "Schiedsfähigkeit II"-Urteil des BGH
Rz. 72
Der Gesetzgeber spielte den Ball wieder zurück ins Feld der Rspr., und der BGH hat die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH mit Urt. v. 6.4.2009 endgültig anerkannt. Allerdings knüpfte der BGH die Frage der Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung daran, dass
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sich alle Gesellschafter der Schiedsvereinbarung unterworfen haben; |
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alle Gesellschafter die Möglichkeit der Beteiligung an dem Schiedsverfahren haben; |
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alle Gesellschafter bei der Bestellung und Auswahl der Schiedsrichter mitwirken können; |
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alle potentiellen Verfahren bei einem Schiedsgericht konzentriert werden. |
Werden diese Anforderungen nicht eingehalten, verstoße die Schiedsvereinbarung gegen § 138 BGB. Mit Beschl. v. 16.4.2015 stellte der BGH allerdings klar, dass eine Schiedsvereinbarung, die alle gesellschaftsbezogenen Streitigkeiten mit Ausnahme von Beschlussmängelstreitigkeiten i.S.d. §§ 241 ff. AktG (analog) der Schiedsgerichtsbarkeit unterwirft, nicht den soeben dargelegten Anforderungen genügen muss.