Dr. Hans-Patrick Schroeder, Dr. Marcus P. Lerch
aa) Widerklage
Rz. 155
Wie in einem Verfahren vor ordentlichen Gerichten hat der Schiedsbeklagte im Schiedsverfahren die Möglichkeit, eine Widerklage gegen den Schiedskläger zu erheben. Der für die Widerklage erforderliche Zusammenhang mit der Schiedsklage ist gegeben, wenn die Widerklage einen Sachverhalt betrifft, der von der Schiedsvereinbarung der Parteien erfasst ist. Auch für die Widerklage muss die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gegeben sein. Sofern der Schiedskläger die Zulässigkeit der Widerklage allerdings nicht rügt, liegt eine stillschweigende Erweiterung der Schiedsvereinbarung vor; die Widerklage ist damit zulässig. I.Ü. gelten für die Erhebung der Widerklage nach § 1046 Abs. 3 ZPO die gleichen Anforderungen wie für die Schiedsklage. Eine Rechtswegspaltung ist denkbar: Der BGH hat ein treuwidriges Handeln verneint, wenn der Kläger seine Ansprüche vor einem staatlichen Gericht verfolgt, gegen die wegen eines Gegenanspruchs erhobene Widerklage jedoch die Schiedseinrede erhebt. Die Widerklage sei eine echte Klage, die grds. ebenfalls der Schiedseinrede unterliege. Zudem unterfiele nur der im Wege der Widerklage erhobene Anspruch der Schiedsvereinbarung.
Rz. 156
Die DIS-SchO verweist in Art. 7.5 auf die Vorgaben zur Schiedsklage; außerdem soll die Widerklage zusammen mit der Schiedsklageerwiderung eingereicht werden. Nach Art. 5.5 ICC-SchO hat der Beklagte die Widerklage mit der Schiedsklageerwiderung zu erheben. Nach Art. 7.9 DIS-SchO setzt das Schiedsgericht eine angemessene Frist zur Erwiderung auf die Widerklage. Art. 5.6 ICC-SchO sieht eine Frist von 30 Tagen für die Stellungnahme des Klägers vor, die vom Sekretariat verlängert werden kann.
bb) Klageänderung
Rz. 157
Im weiteren Verfahren vor dem Schiedsgericht ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 1046 Abs. 2 ZPO auch eine Klageänderung möglich, es sei denn, das Schiedsgericht lässt dies wegen nicht genügend entschuldigter Verspätung nicht zu. Nach zutreffender h.M. bedarf es weder der Einwilligung der Gegenseite noch der Sachdienlichkeit analog § 263 ZPO. Allerdings muss der geänderte Streitgegenstand schiedsfähig und von der Schiedsvereinbarung gedeckt sein.
Rz. 158
Bei einem ICC-Verfahren ist zu beachten, dass Klageänderungen nach Art. 23.4 ICC-SchO nur in den Grenzen der von Parteien, Schiedsgericht und ICC vereinbarten Terms of Reference zulässig sind.
Hinweis
Der Beklagte muss bei der Entscheidung über den Gegenangriff durch Widerklage, aber auch bei der Entscheidung über die Verteidigung durch Aufrechnung, die Auswirkungen auf den Streitwert berücksichtigen. Aufrechnung, Hilfsaufrechnung und Widerklage erhöhen i.d.R. den Streitwert und führen zu einer weiteren Anforderung eines Kostenvorschusses. Diese Konsequenz ist den Parteien vielfach nicht bewusst.
cc) Klagerücknahme
Rz. 159
Die Rücknahme der Klage im Schiedsverfahren ist nach einer teilweise vertretenen Auffassung nur mit Zustimmung des Beklagten möglich. Dagegen spricht aber die Regelung in § 1056 Abs. 2 Nr. 1 lit. b) ZPO. Demnach wird das Schiedsverfahren dadurch beendet, dass der Schiedskläger die Klage zurücknimmt, wenn nicht der Beklagte widerspricht und das Schiedsgericht ein berechtigtes Interesse des Schiedsbeklagten an der endgültigen Beilegung der Streitigkeit anerkennt. Der Widerspruch des Beklagten allein ist somit kein hinreichender Umstand, der die wirksame Klagerücknahme verhindern kann.
Rz. 160
Teilweise wird ein berechtigtes Interesse des Schiedsbeklagten an der Fortführung des Verfahrens bereits dann angenommen, wenn das Risiko besteht, dass der Schiedskläger ein weiteres Schiedsverfahren mit einem dann neu zu besetzendem Schiedsgericht einleitet. Dieses Risiko soll nur durch einen vom Schiedskläger zu erklärenden Verzicht auszuräumen sein. Manche nehmen an, dass bereits vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung ein berechtigtes Interesse des Schiedsbeklagten vorliegen könne. Nach Schlosser sei i.Ü. ein berechtigtes Interesse des Schiedsbeklagten dann anzuerkennen, wenn die Sachentscheidung des Schiedsgerichts zur Orientierung in ähnlich gelagerten Fällen von Bedeutung ist. Art. 42.2 (ii) DIS-SchO enthält eine vergleichbare Regelung der Klagerücknahme, sodass die hier darge...