Rz. 21
Entsprechendes gilt für den auch durch einseitige Erklärung des Schuldners möglichen Verzicht auf die Einrede der Verjährung, der auch schon vor Eintritt der Verjährung zulässig ist wie ebenso noch nach vorausgegangener Geltendmachung der Verjährungseinrede. Ein (vor Eintritt der Verjährung) unbefristet erklärter Verjährungsverzicht ist dabei regelmäßig dahin zu verstehen, dass er bis zum Ende der Höchstfrist von 30 Jahren gem. § 202 Abs. 2 BGB gelten soll. Ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung durch den Schuldner gilt im Übrigen grundsätzlich nur zugunsten des Gläubigers, dem gegenüber der Verzicht erklärt wird. Ein Einredeverzicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger gilt daher nicht ohne Weiteres auch gegenüber dem Verletzten oder auch zugunsten eines Rechtsnachfolgers (z.B. einem weiteren Sozialversicherunsträger).
Rz. 22
Ein stillschweigender oder konkludenter Verzicht auf die Einrede der Verjährung kann – jedenfalls für Fälle nachträglichen Verzichts – nach wie vor (nur) angenommen werden, wenn der Schuldner vom Eintritt der Verjährung weiß oder zumindest mit dessen Möglichkeit rechnet und deutlich macht, er werde im Fall des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen leisten. Verzichtet der Schädiger (oder sein Haftpflichtversicherer) auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede in einem Zeitpunkt, in dem die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist, stehen der Wirksamkeit eines solchen Verzichts keinerlei rechtliche Hindernisse entgegen. Bei einem beiderseitigen Irrtum über die Berechnung der Verjährungsfrist kann sich der Gläubiger grundsätzlich nicht darauf berufen, der Schuldner handle arglistig, wenn er nach Aufdeckung des Irrtums die Verjährungseinrede erhebt. Zur Auslegung von Verzichtserklärungen des Haftpflichtversicherers, wenn dem erklärenden Sachbearbeiter nicht bewusst gewesen ist, dass die Verjährungsfrist bereits abgelaufen war. Zur Auslegung der Zusage einer nochmaligen Haftungsprüfung durch den Versicherer im Rahmen eines TV-Interviews.
Rz. 23
Ein ohne zeitliche Einschränkung ausgesprochener Verzicht auf die Einrede der Verjährung ist regelmäßig dahin zu verstehen, dass er auf die dreißigjährige Maximalfrist des § 202 Abs. 2 BGB begrenzt ist, soweit sich aus der Auslegung der Erklärung nichts Abweichendes ergibt; es beginnt demnach – anders als beim Anerkenntnis – nicht etwa (nur) die Verjährungsfrist erneut zu laufen. Der – gem. § 202 Abs. 2 BGB nur nicht unbefristet, ansonsten aber zulässige – zeitlich befristete Verjährungsverzicht hat keinen Einfluss auf den Ablauf der Verjährungsfrist. Der Schuldner handelt jedoch – widersprüchlich und damit – treuwidrig, wenn er sich während des vereinbarten Zeitraums dann doch auf die Verjährung beruft. Im Zweifel wirken sich auch zwischenzeitlich auftretende Tatbestände für eine Hemmung oder den Neubeginn der Verjährung nicht auf den Lauf den Lauf der Befristung des Verzichts.
Rz. 24
Der Haftpflichtversicherer eines Schädigers hat regelmäßig aufgrund seiner vertraglichen Regulierungsvollmacht unter anderem auch die Möglichkeit mit Wirkung für den Versicherungsnehmer und Mitversicherte gegenüber dem Geschädigten/Gläubiger auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Die umfassende Vollmacht des Versicherers zugunsten und zu Lasten des Versicherungsnehmers gilt selbst dann, wenn der Versicherer – etwa wegen Überschreitung der (Mindest-)Versicherungssumme – nicht selbst verpflichtet ist. An einer solchen Vollmacht fehlt es indessen bei feststehender Leistungsfreiheit. Die Wirksamkeit und Bindung etwaiger (Verzichts-) Erklärungen des Versicherers im Verhältnis zum Geschädigten ist hiervon allerdings unberührt.
Rz. 25
Akzeptiert nach einem Verkehrsunfall der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners in einer Abfindungserklärung des Geschädigten einen auf den materiellen Zukunftsschaden gerichteten Vorbehalt, liegt darin nach der Rechtsprechung noch keine "konstitutive" Befreiung von der Verjährungseinrede. Eine derartige schuldbestätigende Erklärung führt allenfalls zu einem Neubeginn der Verjährung. Der Vorbehalt stellt insbesondere kein selbstständiges (konstitutives) Anerkenntnis im Sinne des § 781 BGB hinsichtlich etwaiger Zukunftsfolgen dar. Mangels Verjährungsverzichts verstößt der Haftpflichtversicherer auch nicht gegen Treu und Glauben, wenn er dagegen später die Verjährungseinrede erhebt. Darauf, ob der Geschädigte oder/und sein Rechtsanwalt irrtümlicherweise glaubt/en, wegen des Vorbehalts seien weitere einen Verjährungseintritt hindernde Maßnahmen nicht mehr erforderlich, kommt es nicht an. Dem ist zuzustimmen. Auch wenn sich Versicherer erfahrungs- und interessengemäß nach Möglichkeit weigern, in Abfindungserklärungen Vorbehalte für Zukunftsschäden zu akzeptieren, begründet die ausnahmsweise Aufnahme eines solchen noch kein berechtigtes Vertrauen des Geschädigten darauf, eine derartige Erklärung habe die Wirkung eines Feststellungsurteils (titelersetzendes An...