Rz. 16
Gegenüber der Einrede der Verjährung seitens des Schuldners kann der Gläubiger seinerseits ausnahmsweise den Einwand unzulässiger Rechtsausübung geltend machen, wenn sich die Erhebung der Einrede der Verjährung als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt, insbesondere wenn sich der Ersatzpflichtige mit ihr in Widerspruch zu eigenem früheren Verhalten setzt.
Eines Rekurses auf § 242 BGB bedarf es insoweit allerdings nach der Reform des Verjährungsrechts zum 1.1.2002 noch seltener als schon zuvor.
1. Pactum de non petendo
Rz. 17
Das gilt namentlich für die früher hierzu gerechnete Fallgruppe eines pactum de non petendo. Denn nunmehr ist kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung bereits eine Verjährungshemmung (§ 209 BGB) anzunehmen, wenn die Parteien auch nur über den Anspruch oder die diesen begründenden Umstände verhandeln, bis eine Seite die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert (§ 203 S. 1 BGB).
Im Übrigen ist die Verjährung nunmehr kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung auch gehemmt, solange der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist, § 205 BGB. Dies aber ist gerade der Fall, wenn Schuldner und Gläubiger vereinbaren, dass der Anspruch einstweilen nicht geltend gemacht werden soll.
2. Verstoß gegen Treu und Glauben
Rz. 18
Die Annahme einer Unzulässigkeit der Berufung des Schuldners auf Verjährung kommt nach alledem nur noch selten in Betracht, hieran sind strenge Anforderungen zu stellen. Mit Blick auf den Zweck der Verjährungsregelung ist ein grober Verstoß gegen Treu und Glauben zu verlangen. Er kommt insbesondere in Betracht, wenn der Verpflichtete den Berechtigten nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst hat, sein Anspruch werde auch ohne Rechtsstreit vollständig befriedigt, oder wenn der Verpflichtete bei dem Berechtigten den Eindruck erweckt oder aufrechterhält, dessen Ansprüche nur mit sachlichen Argumenten bekämpfen zu wollen und ihn dadurch von der rechtzeitigen Klageerhebung abhält, wenn der Schuldner Anlass zu der Annahme gegeben hat, es gelte eine längere Verjährungsfrist oder er nicht auf eine Umwandlung hinweist, die den Eintritt der Hemmung der Verjährung verhindert; zusammengefasst also, wenn der Schuldner den Berechtigten im Ergebnis von der rechtzeitigen Klageerhebung bzw. Geltendmachung seines Anspruchs abgehalten hat.
Fallen die Umstände nachträglich weg, die eine Unzulässigkeit der Berufung auf Verjährung begründen, so verbleibt dem Gläubiger eine nach Treu und Glauben zu bemessende Frist von in der Regel einem Monat, um den Anspruch geltend zu machen.
Rz. 19
Teilt ein vermeintlicher Haftpflichtversicherer dem Geschädigten auf dessen Schadensmeldung mit, er sei für die Bearbeitung des Schadensfalls zuständig, und unterlässt er die Mitteilung sich später ergebender ernsthafter Zweifel an seiner Zuständigkeit als Haftpflichtversicherer, so ist er dem Geschädigten jedenfalls zum Schadensersatz verpflichtet, wenn dieser infolgedessen seinen Anspruch gegen den richtigen Haftpflichtversicherer verjähren lässt.
3. Verlängerung der Verjährungsfrist
Rz. 20
Nachdem – entgegen § 225 S. 2 BGB a.F. – nunmehr auch rechtsgültige Vereinbarungen bezüglich der Verjährung, namentlich etwa eine Verlängerung der Verjährungsfrist, möglich sind, bedarf es insoweit eines Rekurses auf Treu und Glauben ebenfalls nicht mehr.
4. Verzicht auf die Einrede der Verjährung
Rz. 21
Entsprechendes gilt für den auch durch einseitige Erklärung des Schuldners möglichen Verzicht auf die Einrede der Verjährung, der auch schon vor Eintritt der Verjährung zulässig ist wie ebenso noch nach vorausgegangener Geltendmachung der Verjährungseinrede. Ein (vor Eintritt der Verjährung) unbefristet erklärter Verjährungsverzicht ist dabei regelmäßig dahin zu verstehen, dass er bis zum Ende der Höchstfrist von 30 Jahren gem. § 202 Abs. 2 BGB gelten soll. Ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung durch den Schuldner gilt im Übrigen grundsätzlich nur zugunsten des Gläubigers, dem gegenüber der Verzicht erklärt wird. Ein Einredeverzicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger gilt daher nicht ohne Weiteres auch gegenüber dem Verletzten oder auch zugunsten eines Rechtsnachfolgers (z.B. einem weiteren Sozialversicherunsträger).
Rz. 22
Ein stillschweigender oder konkludenter Verzicht auf die Einrede der Verjährung kann – jedenfalls für Fälle nachträglichen Verzichts – nach wie vor (nur) angenommen werden, wenn der Schuldner vom...