1. Praktische Bedeutung; Rechtsfolgen
Rz. 28
Erhebliche Bedeutung hat in der Praxis die Zulässigkeit von Insichgeschäften, insb. wenn sich nicht vermeiden lässt, dass verschiedene Beteiligte durch dieselbe Person vertreten werden. Nach § 181 BGB kann ein (rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher) Vertreter keine Rechtsgeschäfte im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen (Insichgeschäft) oder als Vertreter eines Dritten (Mehrvertretung) vornehmen, soweit ihm dies nicht gestattet ist oder das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Die Vorschrift ist eine Spezialität des deutschen Rechts. Benachbarte Rechtsordnungen wie bspw. die Schweiz oder Frankreich kennen keinen vergleichbaren Tatbestand.
Wird § 181 BGB nicht beachtet, hat dies u.U. gravierende Auswirkungen. Ein unter Verstoß gegen § 181 BGB abgeschlossenes Rechtsgeschäft ist analog § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam. Der Vertragspartner hätte die Möglichkeit, sich einseitig von dem Vertrag zu lösen. Dritte wie etwa die Finanzverwaltung könnten die Wirksamkeit geschlossener Vereinbarungen in Zweifel ziehen. Existiert der Vertretene nicht mehr (eine Gesellschaft wurde liquidiert, natürliche Personen sind verstorben), stellt sich die Frage nach der Genehmigungsfähigkeit des Rechtsgeschäfts. Dies gewinnt bspw. bei einer Kette von Anteilsübertragungen Bedeutung, wenn die Wirksamkeit nachfolgender Erwerbe von einem Rechtsgeschäft abhängt, das unter Verstoß gegen § 181 BGB zustande kam. In einer späteren Prüfung der Gesellschaft für einen Unternehmenskauf oder für Kapitalmaßnahmen (Due Diligence) könnte die Inhaberschaft an den Anteilen nicht nachgewiesen werden mit nachteiligen Folgen für den Erwerb oder den Börsenprospekt.
Hinweis
Immer dann, wenn eine Person auf beiden Seiten einer Vereinbarung oder für mehrere Vertragsparteien handelt (dies ist nach Möglichkeit zu vermeiden), ist zwingend zu prüfen, ob ein Fall des § 181 BGB vorliegt und ob eine Befreiung wirksam erteilt wurde.
2. Hauptanwendungsfälle
Rz. 29
Das Verbot des Insichgeschäfts gilt zunächst für alle Verträge und rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Ob das Verbot von Insichgeschäften nach § 181 BGB auch für Gesellschafterbeschlüsse einer GmbH gilt, ist umstritten. Nach der älteren Auffassung wurde eine Anwendbarkeit von § 181 BGB in diesen Fällen mit der formalen Begründung abgelehnt, die Beschlüsse seien nicht als "Rechtsgeschäfte" der Gesellschafter untereinander, sondern als Sozialakte ggü. der Gesellschaft anzusehen. Nach heute herrschender Meinung ist § 181 BGB jedenfalls auf satzungsändernde Beschlüsse einschließlich aller Arten der Umwandlung, Abschluss und Aufhebung von Unternehmensverträgen aufseiten abhängiger Gesellschaften sowie Auflösung der Gesellschaft anwendbar, da die Beschlüsse der Sache nach Vertragsabschlüssen zwischen den Abstimmenden sind. Gleichfalls anwendbar ist § 181 BGB in dem praktisch bedeutsamen Fall, in dem der Geschäftsführer der Gesellschafterin einer (Tochter-)GmbH sich selbst bei der Tochter-GmbH zum Geschäftsführer bestellt und dazu die Muttergesellschaft in der Gesellschafterversammlung vertritt. Der Geschäftsführer muss für eine solche "Selbstbestellung" von den Beschränkungen des § 181 BGB wirksam befreit sein.
Rz. 30
Einen Sonderfall des § 181 BGB bildet § 112 AktG. Da der Aufsichtsrat in einer AG die Gesellschaft ggü. den Vorstandsmitgliedern (auch ggü. ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern) vertritt, ist ein Insichgeschäft (Handeln im Namen der AG und im eigenen Namen) bei den Mitgliedern des Vorstands gesetzlich ausgeschlossen. Wohl aber kommt eine Mehrvertretung in Betracht, wenn ein Vorstandsmitglied für die AG und als Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft dieser AG handelt. Kein Fall des § 112 AktG, sondern des § 47 Abs. 4 GmbHG ist nach herrschender Auffassung die Bestellung eines Vorstandsmitglieds zum Geschäftsführer bei der Tochter-GmbH. In diesen Fällen liegt indes kein Stimmverbot des gesetzlichen Vertreters der Muttergesellschaft vor, da dieser in der Regel mit der Bestellung kein privates Sonderinteresse zu Lasten des Gesellschafterinteresses verfolgt. Allerdings handelt es sich nach herrschender Meinung bei der Selbstbestellung um einen Fall von § 181, 1. Alt. BGB, bei der das betroffene Vorstandsmitglied von einer Vertretung der AG ausgeschlossen ist. In diesen Fällen wird man die Bestellung nach der neueren Rspr. des BGH durch andere Vorstandsmitglieder durchführen müssen, wobei ggf. eine Aufspaltung in mehrere Beschlüsse notwendig wird, wenn sämtliche Vorstandsmitglieder zu Geschäftsführern bestellt werden sollen. Soll der Alleinvorstand zum Geschäftsführer bestellt werden, wird man einen Beschluss des Aufsichtsrats herbeiführen müssen.
Hinweis
Sollen Vorstandsmitglieder von den Beschränkungen des § 181 BGB soweit wie möglich befreit werden, kommt wegen § 112 AktG nur eine Befreiung von dem Verbot der Mehrvertretung (§ 181, 2. Alt. BGB) infrage. Aufsichtsratsbeschluss und Handelsregisteranmeldung sollten entsprechend gefasst wer...