Dr. Birgit Wilhelm-Lenz, Jochem Schausten
Rz. 38
Grundsätzlich hat der unterhaltsberechtigte Ehegatte während des ersten Trennungsjahres Anspruch darauf, dass die ehelichen Lebensverhältnisse beibehalten werden (Halbteilungsgrundsatz). Es gibt verschiedene Methoden zur Berechnung des Ehegattenunterhalts. Die Wahl der richtigen Berechnungsmethode hängt davon ab, wie die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt waren.
Rz. 39
Sind die Einkommensverhältnisse sehr gut, so wird der Bedarf (und damit die Unterhaltshöhe) konkret berechnet.
Rz. 40
Sind die Einkommensverhältnisse normal oder unterdurchschnittlich, so gilt Folgendes:
Rz. 41
▪ |
Ist nur ein Ehegatte berufstätig, so erhält er 3/7 des bereinigten Einkommens des anderen Ehegatten. |
▪ |
Sind beide Parteien berufstätig (Doppelverdienerehe), so erhält der unterhaltsberechtigte Ehegatte 3/7 der Differenz beider bereinigter Einkommen (Differenzmethode). |
Rz. 42
Beispiel
Bereinigtes Nettoeinkommen der Ehefrau: |
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3.000 EUR |
Bereinigtes Nettoeinkommen des Ehemannes: |
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5.000 EUR |
Unterhaltsanspruch der Ehefrau: |
3/7 × (5.000 EUR – 3.000 EUR) |
857 EUR |
Damit hat die Ehefrau: |
3.000 EUR + 857 EUR |
3.857 EUR |
Damit hat der Ehemann: |
5.000 EUR – 857 EUR |
4.143 EUR |
Rz. 43
▪ |
Werden die ehelichen Lebensverhältnisse durch die Vollzeittätigkeit des einen Ehegatten und die Teilzeittätigkeit des anderen Ehegatten geprägt und weitet der teilzeitbeschäftigte Ehegatte wegen der Trennung seine Berufstätigkeit aus, so ist die Mischmethode anzuwenden: Zunächst wird die Differenz beider bereinigter Einkommen errechnet und quotiert (3/7, 4/7). Dann wird das bereinigte nicht prägende zusätzliche Einkommen des Unterhaltsgläubigers in Abzug gebracht. Der BGH hat am 13.6.2001 seine Rechtsprechung zur Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse geändert. Seither wird der eheprägenden Haushaltsführung ein Wirtschaftswert zugemessen. Damit geht eine Gleichwertigkeit der Familienarbeit mit der Erwerbstätigkeit des anderen Partners einher. Weitet der betreuende Elternteil seine Erwerbstätigkeit nach der Trennung der Parteien aus, so sind die hierbei erzielten Einkünfte bei der Unterhaltsberechnung als Surrogat der bisherigen Haushaltstätigkeit anzusehen. Das wird bei der Unterhaltsberechnung dergestalt berücksichtigt, dass nach der Additions- bzw. Differenzmethode und nicht mehr nach der Anrechnungsmethode gerechnet wird. Gleichzeitig hat der BGH seine Rechtsprechung zur Veräußerung des Eigenheims grundlegend geändert. Seither sind die Zinsen aus dem Veräußerungserlös als Surrogat des früheren Wohnwerts eheprägend, auch wenn sie diesen übersteigen. |
▪ |
Werden die ehelichen Lebensverhältnisse nicht nur durch Erwerbseinkünfte, sondern auch durch andere Einkünfte geprägt (z.B. Wohnwertvorteil, Mieterträge), wird mit der Additionsmethode gerechnet. Dabei ist darauf zu achten, dass der Erwerbstätigenbonus nur auf die Erwerbseinkünfte und nicht auf die anderen Einkünfte berechnet wird. |
Rz. 44
Beispiel
Bereinigtes Einkommen des Ehemannes: |
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5.000 EUR |
Bereinigtes Einkommen der Ehefrau: |
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2.000 EUR |
Zinseinkünfte der Ehefrau: |
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1.000 EUR |
Bedarf der Ehefrau: |
½ × (6/7 × 5.000 EUR + 6/7 × 2.000 EUR + 1.000 EUR) |
3.500 EUR |
Bedürftigkeit der Ehefrau: |
3.500 EUR – (6/7 × 2.000 EUR + 1.000 EUR) |
785 EUR |
Damit hat die Ehefrau: |
2.000 EUR + 1.000 EUR + 785 EUR |
3.785 EUR |
Damit hat der Ehemann: |
5.000 EUR – 785 EUR |
4.215 EUR |
Rz. 45
Mit Urteil des BGH wurde, sofern der Bedarf aus dem Erwerbseinkommen berücksichtigt wurde, die Unterscheidung zwischen bedarfsbestimmendem und bedarfsdeckendem Einkommen grundsätzlich aufgegeben (Ausnahme: Karrieresprung). Das aus unzumutbarer Tätigkeit erwirtschaftete Einkommen ist grundsätzlich bedarfsprägend und nach Billigkeit zu berücksichtigen.
Neben dem so errechneten Elementarunterhalt kann der Unterhaltsberechtigte darüber hinaus Altersvorsorgeunterhalt geltend machen, sobald ein Scheidungsverfahren anhängig ist.