Rz. 5

Unterhaltsprozesse nehmen in den familiengerichtlichen Verfahren deshalb eine besonders wichtige Stellung ein, weil Unterhaltszahlungen das Leben der Beteiligten auch nach Abschluss des Prozesses und über Jahre hinaus auf der einen Seite belasten und auf der anderen Seite absichern. Anders als eine güterrechtliche Auseinandersetzung oder eine Teilung der Haushaltsgegenstände, bei denen in der Regel eine einmalige Zahlung bzw. endgültige Verteilung begehrt wird, und anders als im Versorgungsausgleichsverfahren, in welchem über zukünftige Rechte gestritten wird, tangieren die Unterhaltszahlungen die Parteien monatlich und unmittelbar. Auch die Auswirkungen der Zahlungspflichten auf eine neue Partnerschaft können kaum unterschätzt werden und sind immer wieder Anlass zu Diskussionen in der neuen Verbindung. Vor diesem Hintergrund ist bei der Bearbeitung dieser (regressträchtigen) Streitigkeiten besondere Sorgfalt an den Tag zu legen.

1. Materiell-rechtliche Grundzüge des Unterhaltsrechts

a) Unterhaltstatbestände

 

Rz. 6

Ehepartner sind sich gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet. Das Gesetz unterscheidet drei verschiedene gesetzliche Unterhaltsschuldverhältnisse, und zwar:

Familienunterhalt (§§ 1360 ff. BGB): Beide Ehepartner sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie, also den anderen Partner und die gemeinsamen Kinder, angemessen zu unterhalten. Da diese wechselseitigen Unterhaltsverpflichtungen während der Dauer der häuslichen Gemeinschaft bestehen, sind sie selten Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen.
Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB): Leben die Ehepartner voneinander getrennt, so kann ein Ehepartner von dem anderen nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen angemessenen Unterhalt verlangen. Der Trennungsunterhalt umfasst den Zeitraum von der tatsächlichen Trennung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Scheidungsverfahrens. Die ehelichen Lebensverhältnisse sollen während der Trennungszeit fortgeschrieben werden, um es beiden Partnern zu ermöglichen, die Trennung rückgängig zu machen und die Ehe weiterzuführen. Dauert die Trennung lange an, so überwiegt die wirtschaftliche Eigenverantwortung der Partner, wie sie nach der Scheidung gilt.

Nachehelicher Unterhalt (§§ 1569 ff. BGB): Nach rechtskräftigem Abschluss des Scheidungsverfahrens gilt das Prinzip der wirtschaftlichen Eigenverantwortung der geschiedenen Eheleute: Beiden Parteien obliegt es, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Ein Unterhaltsanspruch besteht nur dann, wenn der Ehepartner sich selbst nicht unterhalten kann:

weil er gemeinschaftliche Kinder pflegt oder erzieht (§ 1570 BGB) oder
weil er wegen seines Alters keiner Erwerbstätigkeit mehr nachzugehen braucht (§ 1571 BGB) oder
weil wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwächen seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann (§ 1572 BGB) oder
weil er keine angemessene Erwerbstätigkeit findet (§§ 1573 f. BGB) oder
weil er eine Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung absolviert (§ 1575 BGB) oder
aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB).
 

Rz. 7

 

Hinweis

Trennungsunterhalt und Geschiedenenunterhalt sind nicht identisch. Es reicht also nicht aus, nur den Trennungsunterhalt gerichtlich geltend zu machen, denn aus einem Trennungsunterhaltstitel kann nach rechtskräftigem Abschluss des Scheidungsverfahrens nicht mehr vollstreckt werden. Vollstreckt der Unterhaltsgläubiger gleichwohl weiter, so hat der Unterhaltsverpflichtete einen Vollstreckungsabwehrantrag nach § 767 ZPO zu erheben und die Einwendung des Endes des Trennungsunterhalts zu erheben.[6]

Der Verwandtenunterhalt (§§ 1601 ff. BGB) regelt insbesondere den Unterhalt von Kindern gegen ihre Eltern und umgekehrt.
Die Mutter des nichtehelichen Kindes hat gegen den Vater des Kindes einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB.
[6] BGH FamRZ 1981, 242, 243.

b) Der Bedarf des Unterhaltsgläubigers

 

Rz. 8

Die Frage, wie viel Unterhalt jemand benötigt, beurteilt sich danach, welche Art Unterhalt begehrt wird. Der Bedarf des Ehepartners orientiert sich danach, wie die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt waren: Zu ermitteln ist, was die Eheleute während der Dauer ihres Zusammenlebens zu Konsumzwecken einerseits und zur Vermögensbildung andererseits verwendet haben.

 

Rz. 9

Der Unterhaltsanspruch setzt sich zusammen aus dem:

Elementarunterhalt (§ 1361 Abs. 1 S. 1 BGB),
Krankenvorsorgeunterhalt (§ 1578 Abs. 2 BGB analog),
Altersvorsorgeunterhalt (§ 1361 Abs. 1 S. 2 BGB),
Sonderbedarf (§§ 1361 Abs. 4 S. 3, 1360a Abs. 3, 1613 Abs. 2 BGB),
ausbildungsbedingten Mehrbedarf (§ 1578 Abs. 2 BGB analog),
trennungsbedingten Mehrbedarf.
 

Rz. 10

Der Elementarunterhalt umfasst die Aufwendungen für das tägliche Leben. Sind die ehelichen Lebensverhältnisse von überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen[7] geprägt, so richtet sich der eheliche Bedarf nicht nach einer Quote,[8] sondern ist konkret aufzuzeigen und nachzuweisen. Es gibt keine absolute Sättigungsgrenze für den Bedarf, aber eine praktische Obergrenze, die dann errei...

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