Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 218
Noch nicht abschließend geklärt ist die für die anwaltliche Praxis sehr relevante Frage, ob neben einer erlangten einstweiligen Anordnung über Unterhalt
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noch ein Hauptsacheverfahren eingeleitet werden darf, |
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oder sogar ein Hauptsacheverfahren eingeleitet werden muss, |
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und welche Vorkehrungen ggf. getroffen werden müssen, um Risiken zu vermeiden. |
Damit verbunden ist vielfach die Frage, ob für einen solchen – weiteren – Antrag Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird.
Rz. 219
Die Unterhaltsberechtigte muss bedenken, dass eine einstweilige Anordnung nicht in Rechtskraft erwachsen kann und jederzeit – auch rückwirkend – abänderbar wäre. Da sie rein prozessualer Natur ist, stellt sie keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen dar und steht daher einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht entgegen, ohne dass es auf die förmliche Aufhebung der einstweilige Anordnung ankommt. So besteht – zumindest theoretisch – die Gefahr, dass die einstweilige Anordnung rückwirkend aufgehoben wird und sich daraus Ansprüche auf Rückzahlung des geleisteten Unterhaltes ergeben.
Rz. 220
Daher wird es teilweise als unverzichtbar angesehen, nach einer erlangten einstweiligen Anordnung noch ein Hauptsacheverfahren durchzuführen, um einen in Rechtskraft erwachsenden Titel zu erlangen. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Hauptsacheantrag besteht daher.
Rz. 221
Der Unterhaltspflichtige, dem durch eine einstweilige Anordnung Unterhaltszahlungen aufgegeben worden sind, die er akzeptiert und die er regelmäßig zahlt, verhält sich rechtstreu und rechnet nicht damit, mit einem inhaltsgleichen Hauptsacheverfahren überzogen zu werden. Der Unterhaltspflichtige gibt aus seiner Sicht keinen Grund, ihn mit einem weiteren Verfahren zu überziehen, in dem ihm für den inhaltsgleichen Antrag weitere – erhebliche – Kosten auferlegt werden (Gerichtskosten und Gebühren für zwei Anwälte auf der Basis des hohen Hauptsacheverfahrenswertes).
Rz. 222
Praxistipp:
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Wenn die regelmäßige Zahlung des geforderten Unterhaltes ohne eine vorherige Auflage durch die einstweilige Anordnung erfolgt wäre, läge ebenfalls ein sofortiges Anerkenntnis vor.
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Die Berechtigte ist gehalten, den Verpflichteten vorher zur Titulierung aufzufordern. Diese Titulierungsaufforderung ist nur dann korrekt, wenn die Berechtigte die Kostenübernahme zusagt, denn nach h.M. trägt die Berechtigte die Kosten einer freiwilligen Titulierung. |
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Die Kosten einer einseitigen notariellen Beurkundung liegen deutlich niedriger als die Kosten eines streitigen gerichtlichen Hauptsacheverfahrens. |
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Jetzt verfügt die Berechtigte sogar über einen – wenn auch nur vorläufigen – Titel. Ein Vergleich mit der Situation bei freiwilliger Zahlung des Unterhaltes bietet sich an. Es besteht daher kein Grund, sie verfahrensrechtlich besser zu behandeln, wenn sie nicht nur regelmäßige Zahlungen erhält, sondern zum doch einen – vorläufigen – Titel in Form der einstweiligen Anordnung hat. |