Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 319
Das Abänderungsverfahren bei außergerichtlichen Titeln regelt § 239 FamFG. Damit gilt die Zeitschranke des § 238 Abs. 3 FamFG nicht für Vergleiche, Eheverträge, Scheidungsfolgenregelungen und vollstreckbare Urkunden.
a) Keine Wesentlichkeitsgrenze
Rz. 320
Ebenso wenig gelten die sonstigen Einschränkungen des § 238 FamFG. Damit bedarf es auch keiner wesentlichen Änderung, um eine Abänderung zuzulassen. Denn bei dem abzuändernden Unterhaltstitel handelt es sich ja nicht um ein Urteil, so dass die Rechtskraft einer Änderung nicht entgegensteht.
Rz. 321
Abänderungen von Prozessvergleichen und sonstigen private Unterhaltsvereinbarungen bestimmen sich allein nach den Regeln des materiellen Rechts. Maßgeblich sind die Grundsätze über die Veränderung oder den Fortfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), die eine Anpassung rechtfertigen, wenn es einem Beteiligten nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann, an der bisherigen Regelung festgehalten zu werden.
Rz. 322
Liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB vor, so führt dies unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere der Unzumutbarkeit des Festhaltens an der Vereinbarung, zu einer entsprechenden Anpassung des Vertrags an die veränderten Vertragsgrundlagen. Diese besteht in einer unter Wahrung der unveränderten Grundlagen des Vergleichs gebotenen Neubeurteilung des Unterhaltsanspruchs.
Rz. 323
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Unterhaltsvereinbarung vielfach in eine Gesamtregelung der Ehegatten eingebunden ist und nicht isoliert betrachtet werden kann.
Rz. 324
Das kann bei einem gerichtlichen Vergleich über Unterhaltsleistungen deutlich unterhalb einer Schwelle von etwa 10 % der Fall sein, wie sie als Anhaltspunkt für eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse i.S.v. § 238 FamFG befürwortet wird. Die nach § 242 BGB maßgebliche Frage, ob bei einem Festhalten an einem gerichtlichen Unterhaltsvergleich die Opfergrenze überschritten würde, entzieht sich einer derartigen schematischen Beurteilung und kann nur aufgrund einer an den Verhältnissen des Falles ausgerichteten umfassenden Würdigung aller Umstände sachgerecht beantwortet werden. Eine feste Wesentlichkeitsgrenze ist bei einem Vergleich nicht anzuerkennen.
b) Keine Präklusion
Rz. 325
Im Rahmen des § 239 FamFG gilt die Zeitschranke des § 238 Abs. 3 FamFG nicht. Es gibt also bei diesen Titeln keine Präklusion. Daher kann im Ergebnis der Abänderungsantrag hier auch auf Alttatsachen gestützt werden, also auf Umstände aus der Zeit vor Vergleichsabschluss bzw. Errichtung der Urkunde und damit auch darauf, dass die zugrunde gelegten Verhältnisse schon damals nicht den Tatsachen entsprochen haben.