Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 381
In einer solchen Jugendamtsurkunde liegt ein Schuldanerkenntnis. Ein Unterhaltspflichtiger kann sich im Rahmen eines Abänderungsverfahrens von dem einseitigen Anerkenntnis seiner laufenden Unterhaltspflicht nur dann lösen, wenn sich die maßgebenden rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Nachhinein so verändert haben, dass ihm die Zahlung des titulierten Unterhalts ganz oder zumindest teilweise nicht mehr zuzumuten ist. Denn auch bei einer einseitig errichteten Unterhaltsverpflichtung richtet sich die Abänderung des titulierten Unterhaltsanspruchs für den Unterhaltsschuldner gem. § 239 FamFG ausschließlich nach materiellem Recht.
Rz. 382
Praxistipp:
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Da der Unterhaltspflichtige als Schuldner immer an den Titel gebunden ist, liegt für ihn immer ein Abänderungsverfahren vor. |
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Die Wesentlichkeitsschwelle nach § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG gilt bei § 239 FamFG nicht. |
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Der anwaltliche Berater muss zu den aktuellen Verhältnissen vortragen, aber auch zu denjenigen Verhältnissen bei Titelerstellung, aus denen er die eingetretene Veränderung herleiten will, also auch die Grundlagen der Vereinbarung bzw. der Verhältnisse bei Errichtung des Titels. |
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Dabei ist auch dazulegen, dass sich die Verhältnisse nachträglich geändert haben. Es muss sich aber um eine nachhaltige Veränderung handeln, eine bloß kurzfristige Verringerung der Einkünfte reicht nicht aus. |
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Gem. § 239 Abs. 1 Satz 2 FamFG ist der Vortrag eines Abänderungsgrundes bereits eine Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags. Ist ein Abänderungsgrund nicht schlüssig vorgetragen, ist der Antrag also bereits unzulässig. |
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Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Abänderungsgründe liegt grundsätzlich beim Antragsteller. |
Rz. 383
Formulierungsbeispiel eines entsprechenden Herabsetzungsbegehrens auf einen niedrigeren Betrag:
"… unter Abänderung der Jugendamts-Urkunde vom (…) Aktenzeichen (…) wird dem Antragssteller aufgeben, ab (…) nur noch monatlichen Unterhalt von (…) EUR zu zahlen."
Formulierungsbeispiel eines Herabsetzungsbegehrens "auf Null":
"… unter Abänderung der Jugendamts-Urkunde vom (…) Aktenzeichen (…) wird festgestellt, dass die Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers mit Wirkung ab (…) entfällt."
Praxistipp:
Es sollte immer nicht nur die Urkunde genau bezeichnet werden, sondern auch das Datum der gewünschten Abänderung. Denn unter den Voraussetzungen des § 1613 BGB ist auch eine rückwirkende Abänderung möglich (siehe Rdn 70).
Ohne eine solche Klarstellung wird das Gericht die Abänderung erst ab dem Datum der Zustellung aussprechen.
Rz. 384
OLG Brandenburg v. 17.2.2015 – 13 UF 258/13
Zitat
Wer die Abänderung eines Titels begehrt, hat die Umstände und Verhältnisse darzulegen, die zu seiner Errichtung geführt haben. Dieser aus der Handhabung des Anpassungsanspruches bekannte allgemeine Grundsatz gilt auch im Verfahren zur Abänderung einer Jugendamtsurkunde (§ 239 FamFG). Der Unterhaltspflichtige kann sich von einem einseitigen Anerkenntnis seiner laufenden Unterhaltspflicht nur dann lösen, wenn sich eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen Umstände, des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die Höhe seiner Unterhaltspflicht auswirkt. Der Antragsteller hat, um einen zulässigen Antrag zu stellen, vollständig darzulegen, welche Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu dem Inhalt der Urkunde geführt haben, deren Abänderung er begehrt.
Ein abhängig Beschäftigter hat dazu den Jahresdurchschnitt seines Gehalts zur Zeit der Errichtung der Urkunde und alle weiteren Umstände vorzutragen, die damals aus seiner Sicht für die Beurteilung seiner Unterhaltspflicht maßgeblich waren. Gerade wenn in Betracht kommt, dass der Selbstbehalt bei der Bemessung der Unterhaltshöhe eine Rolle spielen kann, muss sich aus den Darlegungen ergeben, ob der Unterhaltsschuldner schon bei der Errichtung der Urkunde eine Unterschreitung des Selbstbehalts in Kauf genommen hat und weshalb er meint, sich aus dieser damals übernommenen Bindung lösen zu können.
Der Antragsteller hat für die Zeit der Errichtung der Urkunde im März 2005 maßgebliche Umstände auch nach dem Hinweis des Senats nicht vollständig dargelegt. Er hat das bezogene durchschnittliche monatliche Nettoentgelt für 2004 mit 1.283,83 EUR und für 2005 mit 1.424 EUR angegeben. Setzt man – obwohl dies nicht vorgetragen ist – gleiche Wegekosten (monatlich 476 EUR) wie in dem hier umstrittenen Zeitraum ab 2010 voraus, so fehlt dennoch ein maßgeblicher Umstand zur Bemessung der damaligen unterhaltsrelevanten Leistungsfähigkeit des Antragstellers, nämlich die Höhe des Wohnvorteils. Die Urkunde ist vor dem Umzug von der Eigentumswohnung in das Einfamilienhaus errichtet worden. Es kann deshalb nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass damals der Mietwert und die anzurechnenden Beträge, die Kreditbelastung und die Gebäudeversicherungsprämie, so anzusetzen sind wie nach dem Umzug.
Den Anforderungen an die Zulässigkeit eines Abänderungsantrags genügt der Antragstel...