Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 76
Auch wenn freiwillig Unterhalt für Kinder oder Ehegatten gezahlt wird, lauern eine Reihe von Risiken, mit der man bei der anwaltlichen Beratung seines Mandanten und bei einer eventuellen streitigen Auseinandersetzung vor dem Familiengericht kennen und mit denen man umgehen muss. Zu unterscheiden ist natürlich bei den taktischen Überlegungen, ob der Berechtigte oder der Unterhaltsverpflichtete vertreten wird.
Rz. 77
Zu unterscheiden für die anwaltliche Vorgehensweise sind dabei zwei Fallgestaltungen:
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der Unterhaltspflichtige zahlt freiwillig den von der Berechtigten geforderten Unterhalt vollständig |
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der Unterhaltspflichtige zahlt freiwillig weniger, als die Berechtigte verlangt. |
1. Freiwillige Zahlung des vollen von der Berechtigten geforderten Unterhaltes
a) Freiwillige Zahlung und Aufforderung zur Titulierung
Rz. 78
Der Unterhaltspflichtige zahlt freiwillig den gewünschten Unterhalt in voller Höhe, die Unterhaltsberechtigte möchte jedoch zur Absicherung für die Zukunft einen vollstreckbaren Titel.
Auch bei regelmäßiger und pünktlicher freiwilliger Zahlung des geforderten Unterhaltes in voller Höhe besteht grundsätzlich ein Titulierungsinteresse auch dann, wenn keine Befürchtung besteht, der Schuldner werde sich weiteren Zahlungen entziehen. Das Rechtsschutzinteresse entfällt erst dann, wenn dem Gläubiger ein vollstreckbarer Titel vorliegt.
Rz. 79
Praxistipp:
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Der Unterhaltspflichtige muss nicht von sich aus dem Unterhaltsberechtigten einen Titel aufdrängen. Er kann eine entsprechende Aufforderung durch den Berechtigten abwarten. Es ergeben sich nach der BGH-Rechtsprechung aber Risiken, wenn der Unterhaltsberechtigte einen höheren Unterhaltsbetrag verlangt). |
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Bevor der Unterhaltsberechtigte gerichtliche Schritte einleitet, um einen Unterhaltstitel in gleichem Umfang der bisher geleisteten Zahlungen zu erwirken, muss er den Pflichtigen daher ausdrücklich auffordern, in Höhe der bislang geleisteten freiwilligen Zahlungen einen Titel für die Zukunft zu erstellen. |
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Wird die Antragsschrift zugestellt oder ein dahingehender Verfahrenskostenhilfeantrag übermittelt, muss der Unterhaltspflichtige sorgfältig prüfen, welche Anträge mit welcher Begründung gestellt oder auch nur angekündigt werden. |
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Für die Verfahrensbevollmächtigten beider Seiten lauern hier erhebliche Fehlerquellen und Regressgefahren! |
Vom Titulierungsinteresse zu unterscheiden ist die Frage, wer die evtl. Kosten einer Titulierung übernehmen muss.
Rz. 80
Beim Kindesunterhalt bietet sich die Errichtung einer Jugendamtsurkunde nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII an. Eine solches Anerkenntnis vor dem Jugendamts kann für Kinder bis zum Alter von 21 Jahren abgegeben werden und ist kostenfrei (da in der Vorschrift des § 91 SGB VIII nicht aufgeführt). Nach § 59 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII besteht diese Möglichkeit auch für den Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter nach § 1615 Abs. 1 BGB.
Dagegen lösen titulierte Unterhaltsverpflichtungen über Ehegattenunterhalt Kosten aus, da sie nur beim Notar erstellt werden können.
Rz. 81
Umstritten, aber von großer praktischer Bedeutung ist, wer die Kosten der freiwilligen Titulierung zu tragen hat:
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Nach einer Mindermeinung muss auch bei regelmäßiger freiwilliger Zahlung der Pflichtige die Kosten übernehmen. |
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Dagegen geht die h.M. davon aus, dass ein materiellrechtlicher Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Kostenübernahme für eine solche Titulierung nicht besteht.
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Demnach muss der Berechtigte die Übernahme der Kosten bereits in der Aufforderung zusagen. Fehlt dieses Kostenübernahmeangebot, liegt keine ordnungsgemäße Aufforderung zur Erstellung eines Titels vor. |
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Ein Titulierungsinteresse besteht nur ausnahmsweise dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der bisher freiwillig gezahlte Betrag in Zukunft nicht mehr zuverlässig freiwillig bezahlt wird. |
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