Rz. 68
Sind das gemeinsame Fundament und die gemeinsame Perspektive stark genug, dass die Familie im Sinne von Familie und Unternehmen zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit findet, gilt es zu klären, wer künftig welche Aufgabe übernehmen soll, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Es geht um die grundsätzliche Frage, wer welche Funktion ausfüllen soll, und darum, wie die Funktionen ineinandergreifen: Wie wird die Aufgabe der Gesellschafter ausgestaltet und die der Geschäftsführung? Braucht es einen Beirat? Welche Rolle soll er spielen?
Vielfach werden diese Fragen mit der Nachfolgeentscheidung gleichgesetzt. Die Versuchung ist groß, sie isoliert zu beantworten. Auf den ersten Blick handelt es sich schlicht um Personalfragen, um die Besetzung von Führungspositionen. Tatsächlich aber geht es um mehr als den Austausch des Geschäftsführers.
Rz. 69
In der Familienstrategie werden die tatsächlichen Gegebenheiten nüchtern analysiert. Wie sind die Funktionen heute ausgestaltet? Welche Qualifikationen erfordern sie? Kommt die Besetzung mit Familienmitgliedern in Frage? Oder geht es um familienfremde Mitglieder im Beirat oder gar um die Auswahl und Steuerung von Fremdmanagement? Die Familie muss klären, ob ihre Qualifikation und ihre Geschlossenheit ausreichen, um das Unternehmen zu leiten (Eigentümerfamilie), aber auch, ob der Koordinationsbedarf in einer sehr großen Unternehmerfamilie mit komplexer Vermögensstruktur eine Trennung von Eigentum und Kontrolle erfordert (z.B. Investorenfamilie, siehe Rdn 39 ff.).
Rz. 70
Die Zusammensetzung der künftigen Generation ist maßgeblich für die Ausgestaltung der Verantwortlichkeiten. Wie sieht ihre Vielfalt konkret aus? Kommen in der nächsten Generation zwei oder mehr qualifizierte Nachfolger infrage, gilt es womöglich ein Partnermodell zu gestalten. Sind die Mitglieder der nächsten Generation qualifiziert, zahlreich aber heterogen, werden vermutlich die Strukturen einer Eigentümer- oder Investorenfamilie gut passen.
Steht mit dem Generationswechsel ein Wechsel der Modelle an, z.B. vom Unternehmermodell zum Partnermodell oder ein Wechsel auf das Modell der Eigentümerfamilie, verändern sich die Anforderungen an das Entscheidungsverhalten. Konnte der Patriarch im Unternehmermodell noch allein entscheiden, so bilden Partner ein Team. Diese Veränderungen erfordern auch ein Umdenken. Die Orientierung an der vorherigen Generation, die in einer Familie als Normalfall gelten kann, führt zu Konflikten. Ein Gesellschafter- oder Geschäftsführerkreis von Geschwistern, in dem jeder dem Vorbild des Alleinentscheiders nacheifert, hat es schwer. Ein großer Kreis von Cousinen und Cousins kann nicht mehr alle Entscheidungen aushandeln, er benötigt Strukturen, Regeln und Prozesse für die Entscheidungsfindung, die ihn entlasten.
Rz. 71
Jede Generation kann der nächsten den Weg ebnen, indem sie die neuen Entscheidungsmechanismen bereits im Ansatz einführt. Der Gründer und Patriarch kann die Geschwister zur Partizipation einladen. Gerade die Nachfolge ist eine ideale Gelegenheit für gemeinsame Entscheidungen. Die Geschwister können Regeln und Prozesse etablieren. Besonders die Qualifikationsanforderungen und der Auswahlprozess für Nachfolger sowie Governance-Strukturen sollten feststehen, ehe die Übergabe an die 3. Generation erfolgt.
Rz. 72
Das Führungsverständnis der Familie gibt der Ausgestaltung der Verantwortlichkeiten eine wichtige Orientierung. Es bildet ab, wie die Familie zu Kontrolle oder Partizipation steht und wie sich Macht legitimiert. Wie interpretiert die Familie das Spannungsfeld von Eigennutz und Verantwortung? Die Family und Business Governance ist darauf abzustimmen, um Streit und Missverständnissen vorzubeugen (siehe auch Rdn 30 ff.).
Rz. 73
Prägt Vertrauen in grundlegend gleichgerichtete Interessen die Zusammenarbeit, wird das Zusammenspiel der Funktionen weniger durch Kontrolle als durch den Ressourcengedanken bestimmt: Welchen Beitrag kann welches Gremium (Gesellschafterversammlung, Beirat, Geschäftsführung) zum Gesamterfolg leisten? Welche Rahmenbedingungen sind förderlich? Ein Beirat hat in dieser Struktur in erster Linie eine beratende Aufgabe. Die üblichen Kontrollinstrumente erhalten vorrangig kommunikative Bedeutung – durch Transparenz und Partizipation pflegt die Geschäftsführung Vertrauen und rechtfertigt Entscheidungen.
Rz. 74
Gründet die Zusammenarbeit eher auf der Annahme, dass es äußerer Anreize bedarf, um die Interessen gleich auszurichten, wird die Familie Vergütung und Kontrolle eine höhere Bedeutung beimessen und die Verantwortlichkeiten entsprechend ausgestalten. Vertrauen stützt sich stärker auf die Verlässlichkeit von Strukturen und Prozessen.
Für beide Modelle sind passende Governance-Strukturen erprobt. Die Erfahrung zeigt, dass es üblicherweise um eine gute Kombination der Prinzipien geht, um Vertrauen und Kontrolle. Vertrauen fußt im einen Fall stärker auf Personen, im anderen stärker auf Strukturen.
Rz. 75
Gemeinhin gilt es als Vorteil von Familienunt...