Rz. 106
Im nächsten Schritt ist zu bestimmen, ob die Verweisung auch das ausländische Kollisionsrecht umfasst. Das ist der gesetzlich angeordnete Regelfall im EGBGB (sog. Gesamtverweisung, Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Richtet sich die Verweisung dagegen unmittelbar auf das Sachrecht, so spricht man von einer Sachnormverweisung. Sie ist in der Praxis die Regel: Eine Sachnormverweisung liegt vor, wenn
▪ | das ausdrücklich bestimmt ist, Art. 4 Abs. 2 S. 1 EGBGB, so für:
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▪ | es dem Sinn und Zweck der Verweisung ausnahmsweise widerspricht, die ausländische Verweisungsentscheidung zu berücksichtigen (Art. 4 Abs. 1 S. 1 aE EGBGB):[228] | ||||||||
▪ | eine Rechtswahl getroffen wurde, Art. 4 Abs. 2 S. 2 EGBGB (siehe Rdn 30 ff.). |
Kommt es zur Gesamtverweisung (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB, Art. 34 EuErbVO für Drittstaatensachverhalte), muss in einem weiteren Schritt geprüft werden, ob das berufene fremde Kollisionsrecht die Verweisung annimmt oder eine abweichende Verweisungsentscheidung ausspricht (Weiterverweisung auf eine dritte Rechtsordnung oder Rückverweisung auf das deutsche Recht). Das setzt die Prüfung fremden Kollisionsrechts voraus.[229] Eine Weiterverweisung kann nach Maßgabe des erstberufenen fremden Kollisionsrechts wiederum eine Gesamtnormverweisung darstellen, dh auch auf das Kollisionsrecht des zweitberufenen Rechts gerichtet sein und von dort auf ein drittes fremdes Recht weiter- oder auf eines der vorhergehenden Rechte zurückverweisen. Die Rückverweisung (renvoi) auf das deutsche Recht wird stets[230] als eine Sachnormverweisung behandelt und auf das deutsche Sachrecht bezogen (Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Die Rückverweisung kann auch nur einen Teil des Vermögens betreffen (Teilrückverweisung). Eine versteckte Rückverweisung liegt vor, wenn das berufene Recht keine Kollisionsnormen besitzt, die dortigen Gerichte nur ihr eigenes Recht anwenden (zahlreiche Staaten der USA vor allem im Bereich des Familien- und Erbrechts[231]) und deren Zuständigkeit nicht gegeben ist. Daraus ist eine Verweisung auf das Recht des Staates abzuleiten, dessen Gerichte zuständig sind.[232]
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