Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 40
Allerdings treffen den Rechtsanwalt bei der Führung eines allein EDV-gestützten Fristenkalenders besondere Sorgfaltspflichten. So ist er verpflichtet, dass in Störfällen eine Service-Firma die Reparatur unverzüglich durchführt und den Versuch unternimmt, vor einer Reparatur dafür zu sorgen, dass die gespeicherten Fristen ausgegeben werden.
Rz. 41
Wichtig ist, dass auch bei Nutzung eines EDV-Kalenders am "Ende des Tages" eine Endkontrolle durchgeführt wird.
Zitat
"Ein Rechtsanwalt, der die Fristennotierung und -kontrolle mittels eines elektronischen Fristenkalenders abwickelt, ist auf Grund seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht unter anderem gehalten, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass sowohl einem versehentlichen Löschen von Fristen durch sein Büropersonal als auch einem hierdurch bedingten Versäumen der fristwahrenden Handlung effektiv entgegengewirkt wird."
Rz. 42
Erforderlich ist bei der Führung eines EDV-Kalenders:
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der Einzelausdruck (Fristenzettel) |
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bei Fehlern der Ausdruck eines Fehlerprotokolls mittels Programms |
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die gestrichene Frist muss als gelöscht/erledigt erkennbar bleiben |
Rz. 43
Dass in Bezug auf die Vermeidung von Fehlern bei der Eingabe von Datensätzen besondere organisatorische Vorgaben notwendig sind, ist in der Rechtsprechung und der einschlägigen Kommentarliteratur seit Langem geklärt. Das OVG Lüneburg forderte daher schon 2009 vom Rechtsanwalt, der einen elektronischen Fristenkalender führt, durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass den spezifischen Fehlermöglichkeiten bei der Eingabe der Datensätze (Programm- oder Tippfehler) Rechnung getragen wird und spezielle Kontrollen einrichtet werden, die sicherstellen, dass jede fehlerhafte Eingabe rechtzeitig erkannt wird. Dieser Auffassung schloss sich auch das OVG Saarlouis nun an.
Rz. 44
Grundsätzlich gilt zunächst, dass ein Anwalt durch allgemeine Anweisungen sicherstellen muss, dass sein Büropersonal nicht eigenmächtig im Fristenkalender eingetragene Fristen ändert oder löscht.
Rz. 45
Die zivilgerichtliche Rechtsprechung hat diese Gefahren zum Anlass zur Feststellung genommen, dass insofern dieselben Bedenken bestehen, die bei herkömmlich geführten Kalendern gegen lose Blätter oder eine Fristenkontrolle anhand von turnusmäßig erstellten Kalenderauszügen gelten, die dazu geführt haben, dass diese Arten der Fristenkontrolle nicht als ausreichend angesehen werden. Demgemäß werden besondere Vorkehrungen gefordert, durch die Datenverluste infolge von Bedienungs- oder Systemfehlern ausgeschlossen werden, wobei das Fehlen solcher besonderen Vorkehrungen als Organisationsverschulden qualifiziert wird.
Rz. 46
Den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Büroorganisation ist nicht genügt, wenn ein elektronischer Fristenkalender so geführt wird, dass am Tag des Fristablaufs zuvor als erledigt gekennzeichnete Sachen überhaupt nicht mehr in der Fristenliste erscheinen und ein vorheriges versehentliches Löschen der Frist daher bei der Endkontrolle am Tag des Fristablaufs nicht mehr erkannt werden kann. Denn – so der BGH – die zur Erfüllung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht gebotene Anordnung, dass eine dazu beauftragte Bürokraft am Ende eines jeden Arbeitstags zu prüfen hat, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen, würde in Fällen einer versehentlich aus dem Fristenkalender nicht mehr ersichtlichen Fristenlöschung ins Leere gehen. Die Mitarbeiterin habe gar nicht mehr die Möglichkeit zu erkennen, dass die versehentlich gelöschte Frist doch noch nicht gelöscht ist. Um diesen Fehler zu vermeiden, muss somit sichergestellt sein, dass auch eine versehentlich gelöschte bzw. versehentlich als erledigt vermerkte/abgehakte Frist am Tag des Fristablaufs noch in der Fristenliste dieses Tages – wenn auch mit dem Zusatz "gelöscht" – erscheint.
Rz. 47
Nach Ansicht des OVG Saarlouis reicht es nicht aus, dem Vorwurf des Organisationsverschuldens zu entgehen, wenn sich in der verwendeten Anwaltssoftware gelöschte oder erledigte Fristen als solche kennzeichnen lassen. Vielmehr ist eine Endkontrolle durchzuführen, zu der ggf. im Wiedereinsetzungsantrag auch auszuführen ist.