Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 49
Der BGH hat im Februar 2019 trotz der Ausweitung der Digitalisierung und Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs eine klare Vorgabe gemacht, dass bei Fristeingabe in den elektronischen Fristenkalender die Kontrolle nur durch einen Ausdruck der eingegebenen Einzelvorgänge (oder eines Fehlerprotokolls) erfolgen kann.
Die Leitsätze des BGH:
Zitat
"a) Bei der Fristeingabe in den elektronischen Fristenkalender muss eine Kontrolle durch einen Ausdruck der eingegebenen Einzelvorgänge oder eines Fehlerprotokolls erfolgen. Unterbleibt eine derartige Kontrolle, so liegt ein anwaltliches Organisationsverschulden vor (Bestätigung BGH, Beschlüsse vom 12. April 2018 – V ZB 138/17, NJW-RR 2018, 1267 und vom 17. April 2012 – VI ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1085)."
b) Werden die Fristeingabe in den elektronischen Fristenkalender und die anschließende Eingabekontrolle in zwar mehrstufigen, aber ausschließlich EDV-gestützten und jeweils nur kurze Zeit benötigenden Arbeitsschritten am Bildschirm durchgeführt, besteht eine erhöhte Fehleranfälligkeit. Den Anforderungen, die an die Überprüfungssicherheit der elektronischen Kalenderführung zu stellen sind, wird durch eine solche Verfahrensweise nicht genügt.“
Rz. 50
Der Wert für des Rechtsbeschwerdeverfahrens betrug in diesem vom BGH entschiedenen Fall immerhin stolze 579.901,14 EUR. Die Wiedereinsetzung wurde jedoch wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt. Zur Glaubhaftmachung für fehlendes Verschulden wurde eine eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwalts und seiner Notarfachangestellten vorgelegt. Das Problem vorliegend war, dass die Berufungsbegründungsfrist zwar zutreffend mit Vorfrist in der Handakte des Prozessbevollmächtigten eingetragen und die ansonsten zuverlässige vorgenannte Angestellte die Eintragung im elektronischen Fristenkalender durch Abzeichnung mit Kürzel bestätigt hatte, jedoch waren die Berufungsbegründungsfrist und die Vorfrist nicht im Fristenkalender der verwendeten Anwaltssoftware gespeichert gewesen.
Rz. 51
Die Arbeitsanweisung der Kanzlei verlangte, Berufungsfristen mit rotem Stift und Angabe des Fristgrundes, einer Vorfrist für Berufung und Berufungsbegründung von jeweils zwei Wochen mit Fristablauf in die Innenseite der Handakte einzutragen; anschließend die Eintragung im elektronischen Fristenkalender vorzunehmen; danach sei Eintragung durch Abzeichnung mit Kürzel auf der Handakte zu bestätigen; wobei die Abzeichnung erst vorgenommen werden durfte, nachdem der/die Mitarbeiter/in sich vergewissert hatte, dass Frist und Vorfrist ordnungsgemäß im Kalender gespeichert seien; durch Dialogfeld "Eingabekontrolle" der Software erfolgte programmseitig durch das automatisierte Auslesen aller zur Akte gespeicherten Fristen die erforderliche Fehlerkontrolle.
Rz. 52
Hinweis und Vortrag der Kanzlei: In der Eingabemaske "Eingabekontrolle" seien sämtliche zu der betreffenden Akte im elektronischen Fristenkalender gespeicherten Fristen aufgelistet. Dies ermögliche die Kontrolle der Eingabe und Abspeicherung der Fristen, da nach dem Bestätigen durch Anklicken des grünen Hakens die Software die abgespeicherten und eingetragenen Fristdaten aktuell auslese und sich damit programmseitig nachvollziehen lasse, dass die Eingabe im elektronischen Fristenkalender entsprechend verarbeitet und gespeichert worden sei. Sei also eine abgespeicherte Frist in der Programmmaske "Eingabekontrolle" aufgeführt, so sei sichergestellt, dass diese auch im elektronischen Fristenkalender eingetragen und abgespeichert sei. Die Mitarbeiterinnen seines Prozessbevollmächtigten seien angewiesen, die korrekte Speicherung des Fristbeginns, des Fristablaufs und des Fristgrundes in der entsprechenden Akte und in der Programmmaske "Eingabekontrolle" zu kontrollieren und die Eintragung durch Abzeichnung mit Kürzel auf der Handakte erst nach Kontrolle des Dialogfeldes "Eingabekontrolle'' zu bestätigen."
Rz. 53
Im Ergebnis erfolgte eine Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags und Verwerfung der Berufung als unzulässig; hiergegen wurde Rechtsbeschwerde eingelegt, die statthaft und zulässig war, jedoch als unbegründet zurückgewiesen wurde, da die Partei nicht ohne ihr Verschulden an der Wahrung der Berufungsbegründungsfrist verhindert war, § 233 ZPO i.V.m. § 221 Abs. 1 BGB.
Rz. 54
Nach Ansicht des BGH darf die elektronische Kalenderführung eines Prozessbevollmächtigten grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als die eines herkömmlichen Fristenkalenders. Sofern die Eingaben in den EDV-Kalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert werden, ist darin ein anwaltliches Organisationsverschulden zu sehen. Ansonsten liegt ein anwaltliches Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vor, dass sich der Antragsteller gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Der BGH monierte die fehlende Anfertigung eines Kontrollausdrucks. Genau dieses Feh...