Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
(a) Möglichkeit zur Ertragsteuerneutralität
Rz. 384
In Zusammenhang mit Beteiligungen an Personengesellschaften besteht in der Praxis Bedarf, dass Gesellschafter Wirtschaftsgüter, insbesondere Anlagevermögen steuerneutral auf die Gesellschaft übertragen. Hierzu sieht der Gesetzgeber bestimmte Möglichkeiten für steuerneutrale Übertragungen vor.
§ 6 Abs. 5 Satz 1 EStG regelt die Überführung eines einzelnen Wirtschaftsguts zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen. Danach führt die Überführung eines Wirtschaftsguts zwischen verschiedenen Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen nicht zu einer Gewinnrealisierung. Satz 2 erweitert die i.S.d. Satzes 1 erfassten Betriebsvermögen um das Sonderbetriebsvermögen des Steuerpflichtigen. Danach sind ebenso Überführungen zwischen einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen und seinem Sonderbetriebsvermögen bei einer Mitunternehmerschaft sowie zwischen dessen Sonderbetriebsvermögen bei verschiedenen Mitunternehmerschaften steuerneutral vorzunehmen. In den Sachverhalten der Sätze 1 und 2 besteht jeweils Rechtsträgeridentität, da hier das zivilrechtliche bzw. wirtschaftliche Eigentum am Wirtschaftsgut unverändert bleibt und es lediglich um die Zuordnung zu einzelnen (Sonder-)Betriebsvermögen geht.
Schließlich ermöglicht Satz 3 mit seinen Unteralternativen die Buchwertfortführung auch für den Fall der Übertragung von betrieblichen Einzelwirtschaftsgütern zwischen dem Mitunternehmer und der "eigenen" Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft sowie zwischen verschiedenen Mitunternehmern derselben Mitunternehmerschaft an, soweit diese unentgeltlich oder gegen Gewährung bzw. Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt. In den Sachverhalten des Satz 3 liegt – anders als in den Sachverhalten der Sätze 1 und 2 jeweils ein Rechtsträgerwechsel (Übertragung) vor, da hier das zivilrechtliche bzw. wirtschaftliche Eigentum am Wirtschaftsgut von einem Rechtsträger auf einen anderen Rechtsträger übergeht. Entgeltliche Vorgänge werden nicht von der Buchwertverknüpfung des Satzes 3 erfasst.
Die Übertragung von betrieblichen Einzelwirtschaftsgütern zwischen dem Mitunternehmer und der "eigenen" Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG ist Gegenstand der folgenden Erläuterungen. In diesem Zusammenhang sind neben den in Satz 3 definierten Tatbestandsmerkmalen weitere Anforderungen sowie ggf. Behaltefristen/Sperrfristen nach § 6 Abs. 5 Satz 4 ff. EStG zu berücksichtigen, deren Nichteinhaltung die Steuerneutralität einer Übertragung beinträchtigen kann.
(b) Einkommensteuerrechtliche Einordnung als entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung
Rz. 385
Zu klären ist für die Anwendung von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zunächst, ob die Übertragung der Wirtschaftsgüter als "normale" Veräußerung zum Verkehrswert, als Einbringung/Entnahme gegen Gewährung/Minderung von Gesellschaftsrechten, als unentgeltliche Übertragung oder als teilentgeltliche Übertragung ("Mischentgelt") ausgestaltet ist. Die Veräußerung schließt eine Anwendung von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG aus. Eine Veräußerung im steuerlichen Sinne liegt auch bei der Übernahme von Verbindlichkeiten oder der Verbuchung des Gegenwerts des Wirtschaftsguts auf einem Darlehenskonto/Privatkonto der Personengesellschaft mit Verbindlichkeitscharakter vor. Die Einbringung/Entnahme gegen Gewährung/Minderung von Gesellschaftsrechten gilt als entgeltliche Übertragung, ist aber aufgrund der Nennung in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG eine begünstigte Gegenleistung.
Rz. 386
Eine Übertragung von Gesellschaftsrechten im Sinne der Norm liegt vor, sofern sich maßgebliche Gesellschaftsrechte, also Stimm- und Gewinnbezugsrechte, nach dem eingeräumten bzw. erhöhten Kapitalanteil richten. Insofern führt eine Gutschrift auf das Kapitalkonto I des einbringenden Gesellschafters zur Gewährung von Gesellschaftsrechten. Dieser Sachverhalt liegt auch vor, wenn die Personengesellschaft durch Sacheinlage entsteht oder ein bereits bestehendes Kapitalkonto I aufgestockt wird unter gleichzeitiger Aufstockung der Kapitalkonten der Mitgesellschafter.
Strittig war die Beurteilung bei Zuschreibung der Übertragung auf das Kapitalkonto II. Insofern liegt nach der BFH-Rspr. kein entgeltlicher Vorgang vor. Die Finanzverwaltung hat sich der Rspr. mit dem BMF-Schreiben v. 26.7.2016 angeschlossen, nachdem sie in der Vergangenheit den Tatbestand der Übertragung von Gesellschaftsrechten als erfüllt sah. Im Ergebnis bleibt der Tatbestand des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG aber erfüllt.
Wird die Übertragung sowohl dem Kapitalkonto I als auch II zugeschrieben, liegt eine Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten vor. Bei Zuschreibung auf ein gesamthänderisches Rücklagenkonto liegt ein unentgeltlicher Vorgang vor, welcher nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zu Buchwerten erfolgt. Bei Buchung gegen das Kapitalkonto I als auch gegen ein gesamthänderisches Rücklagenkonto liegt in vollem Umfang eine entgeltliche Übertragung gegen Gesellschaftsrechte vor, welche insofern gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zu Buchwerten erfolgt.