Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 374
Bei dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel handelt es sich um die handelsrechtliche Gewinnverteilungsabrede. Im Regelfall sind die Bestimmungen demnach dem Gesellschaftsvertrag zu entnehmen. Die handelsrechtliche Gewinnverteilung ist, soweit sie aus steuerlicher Sicht anzuerkennen ist, auch für Zwecke des § 35 EStG maßgeblich. Sondervergütungen, Ergebnisse aus der Sonder- oder Ergänzungsbilanz und Vorabgewinnanteile sind nicht zu berücksichtigen.
Rz. 375
Ein Vorabgewinn i.S.d. § 35 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 EStG liegt vor, wenn ein Gesellschafter vor den übrigen Gesellschaftern aufgrund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag einen Anteil am Gewinn erhält. Hierdurch reduziert sich der Restgewinn, der nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel unter den Gesellschaftern verteilt wird. Zweck des Vorabgewinn kann bspw. sein, einen oder mehrere Gesellschafter für die Übernahme der Geschäftsführung höher zu vergüten.
Rz. 376
Durch die Aufteilung nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel ohne Berücksichtigung z.B. von Sondervergütungen (vgl. Rdn 374) kommt es zu einer Umverteilung von Anrechnungsvolumen gegenüber der einkommensteuerlichen Gewinnzurechnung und ggf. zum Entstehen von Anrechnungsüberhängen. Ein Ausgleich der Anrechnungsüberhänge ausgelösten Mehr- bzw. Minderbeträge bei der ESt kann im Rahmen von gesellschaftsrechtlichen Regelungen erfolgen ("Gewerbesteuerklausel").
Der BFH ist dem Typisierungsgedanken auch bei unterjährigem Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer Personengesellschaft gefolgt. Danach bestimmt sich bei einem unterjährigen Gesellschafterwechsel der Anteil der Mitunternehmer am Gewerbesteuermessbetrag nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel am Ende des Erhebungszeitraums. Dem ausgeschiedenen Gesellschafter kann gem. § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG kein Teil des Gewerbesteuermessbetrags mehr zugerechnet werden, obwohl ihm bis zum Ausscheidenszeitpunkt Einkünfte gem. §§ 15, 16 EStG zuzurechnen sind. Dies gilt nach dem BFH-Urteil IV R 5/14 auch, wenn sich der aus der Gesellschaft ausgeschiedene Veräußerer eines Mitunternehmeranteils zivilrechtlich zur Übernahme der auf einen Veräußerungsgewinn entfallenden Gewerbesteuer verpflichtet hat. Er partizipiert damit auch nicht am Gewerbeertrag, wenn die Veräußerung seines Mitunternehmeranteils gem. § 7 Satz 2 GewStG gewerbesteuerpflichtig ist. Hierin liegt eine Abkehr von der früheren Verwaltungsauffassung in Tz. 30 des BMF-Schreibens vom 24.2.2009, nach der in Fällen eines unterjährigen Gesellschafterwechsels der Gewerbesteuermessbetrag zeitanteilig auf die Gesellschafter verteilt werden konnte. Hierbei konnten die Vereinbarungen zwischen den Mitunternehmern (verbleibende Gesellschafter, Veräußerer und Erwerber) berücksichtigt werden, die anlässlich des Eintritts oder des Ausscheidens des Gesellschafters zur Verteilung des laufenden Gewinns getroffen wurden. Die Finanzverwaltung erkannte mit anderen Worten einen modifizierten – nach Zeitabschnitten abgrenzenden – allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel als Aufteilungsmaßstab an, da sich die zeitanteilige Zuweisung von Gewinnanteilen auch in eine prozentuale ganzjährige Beteiligungsquote in Form eines "allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels" umrechnen lässt. Ergebnis der neuen Auffassung des BFH und der Verwaltung ist, dass es bei unterjährigem Ausscheiden zum weitgehenden Verfall des Anrechnungsvolumens kommen kann, da der Veräußerer nicht am Gewerbesteuermessbetrag partizipiert und es beim Erwerber davon abhängt, ob er für den Zeitpunkt seiner Zugehörigkeit laufende Einkünfte gem. § 15 EStG in ausreichender Höhe erzielt. Zu empfehlen ist für das Ausscheiden natürlicher Personen mit Blick auf die Gewerbesteueranrechung jeweils der Beginn des Wirtschaftsjahres. An dem Teil des Gewerbeertrags, der auf einen gewerbesteuerpflichtigen Veräußerungsgewinn nach § 7 Satz 2 GewStG entfällt, kann der Erwerber zwar anteilig über den allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel teilhaben; da er den Veräußerungsgewinn aus § 16 EStG aber nicht erzielt, sind die Einkünfte weder in der Summe der positiven gewerblichen Einkünfte noch in der Summe der positiven Einkünfte enthalten.
Rz. 377
Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte haben keinen Anspruch auf eine Ermäßigung ihrer Körperschaftsteuerschuld nach § 35 EStG. Es ist allerdings zu beachten, dass auch Kapitalgesellschaften im Gesellschafterkreis, die die Ermäßigung nach § 35 EStG aufgrund des persönlichen Anwendungsbereichs nicht nutzen können, in die Verteilung des Anrechnungsvolumens einzubeziehen sind, wenn diese am allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel partizipieren.
Hinsichtlich mehrstöckiger Mitunternehmerschaften wird im BMF-Schreiben v. 17.4.2019 Tz. 25a klargestellt, dass die Beschränkung des Steuerermäßigungsbetrags auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer jeweils betriebsbezogen – also getrennt für Ober- und Untergesell-schaft(en) zu ermitteln ist. Im Verfahren der gesonderte...