Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 363
Die Art der Einkünfte der Gesellschafter einer Personengesellschaft wird nach ständiger Rspr. des BFH in erster Linie durch die Tätigkeit der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit – mithin durch die Tätigkeit der Gesellschaft – bestimmt. Für die Erzielung von Einkünften aus selbstständiger Arbeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind kumulativ die persönliche Berufsqualifikation und eine berufsbezogene Tätigkeit der Mitunternehmer im Außenverhältnis notwendig. Eine freiberufliche Mitunternehmerschaft setzt voraus, dass sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufes erfüllen. Eine Personengesellschaft, die sich aus Angehörigen gleicher oder unterschiedlicher freier Berufe zusammensetzt, ist freiberuflich tätig, wenn die Gesellschafter in ihrem Zuständigkeitsbereich oder auf ihrem jeweiligen Fachgebiet leitend und eigenverantwortlich tätig werden und ihre Arbeitsergebnisse einbringen. Ist an einer Personengesellschaft (Untergesellschaft) eine andere Personengesellschaft (Obergesellschaft) beteiligt, dann entfaltet die Untergesellschaft nur dann eine freiberufliche Tätigkeit, wenn neben den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern auch sämtliche mittelbar beteiligten Gesellschafter der Obergesellschaft die Merkmale eines freien Berufs erfüllen. Die Gesellschafter einer Oberpersonengesellschaft können somit nur durch ihre persönliche, qualifizierte Arbeitsleistung, nicht aber allein durch das Halten einer mittelbaren Beteiligung an einer anderen Freiberufler-Gesellschaft aus dieser freiberufliche Einkünfte beziehen.
Die BFH-Rspr. sieht bereits die mitunternehmerische Beteiligung einer Kapitalgesellschaft unabhängig von der Qualifikation der anderen Gesellschafter und ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als schädlich an. Dementsprechend hat der BFH entschieden, eine Steuerberater- und Wirtschaftsprüfer-GmbH & Co. KG erziele Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbst wenn die Komplementär-GmbH dinglich nicht am Vermögen beteiligt sei und nur eine Geschäftsführungs- und Haftungsvergütung beziehe.
Rz. 364
Übt eine Gesellschaft sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so sind die Tätigkeiten zu trennen, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist. Das gilt auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen. Sind allerdings bei einer Tätigkeit beide Tätigkeitsarten derart miteinander verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, so liegt eine einheitliche Tätigkeit vor, die steuerlich danach zu qualifizieren ist, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht. Die Erzielung abgrenzbarer Einkünfte aus Gewerbebetrieb kann dazu führen, dass die gesamten Einkünfte einer freiberuflichen Gesellschaft gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1, Alternative 1 EStG in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert werden.
Zu einer Abfärbung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG kommt es insofern nur bei trennbaren Tätigkeiten. Die Abfärberegelung greift z.B. ein, wenn durch eine Gesellschaft freiberufliche Leistungen i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (z.B. die Behandlung von Patienten) erbracht und daneben auch medizinische Hilfsmittel veräußert werden (z.B. Zahnpasta und Zahnreinigungszubehör). Von einer gemischten Tätigkeit mit trennbaren Einkünften im Anwendungsbereich der Abfärberegelung geht die Rspr. mittlerweile auch aus, wenn auf Ebene einer Personengesellschaft einerseits eine freiberufliche leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit der Mitunternehmer im Hinblick auf die von ihnen ausgeführten Tätigkeiten vorliegt und daneben gewerbliche Einnahmen auf Ebene der Gesellschaft erzielt werden, indem Hilfspersonen (zumeist qualifizierte Berufsträger) gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG autonom ohne hinreichende Einbindung oder Anbindung an die Weisung und Kontrolle der Sozien tätig sind; dies gilt auch für den Nullbeteiligungsgesellschafter, der nicht die Kriterien der Mitunternehmerstellung erfüllt. Nach der BFH-Rspr. ist zu beachten, dass gewerbliche Einkünfte im Sonderbereich des Gesellschafters einer freiberuflich tätigen Personengesellschaft nicht zu einer Abfärbung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auf die Einkünfte der Gesellschaft im Gesamthandsbereich führen.
Der BFH hat in mehreren Entscheidungen vom 27.8.2014 (VIII R 6/12, VIII R 16/11 und VIII R 41/11) seine Rspr. zur Nichtanwendung der Abfärberegelung für eine gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß konkretisiert. Eine gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß ist anzunehmen, wenn die Nettoumsatzerlöse aus der gewerblichen Tätigkeit 3 % der Gesamtnettoumsätze, die von der Gesellschaft im Gesamthandsbereich erzielt werden und den Betrag von 24.500,00 EUR nicht übersteigen.