Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 344
Für jeden Gesellschafter einer Personengesellschaft wird der jeweilige Kapitalanteil gesondert erfasst. Der Kapitalanteil des einzelnen Gesellschafters gibt hierbei in der Regel Aufschluss über die Rechtsstellung eines Gesellschafters. Aus diesem geht die wertmäßige Beteiligung am Gesellschaftsvermögen im Verhältnis zu den Mitgesellschaftern hervor und – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag –der Maßstab für die Berechnung der Gesellschafterrechte. Der Betrag des Kapitalanteils wird in der gesellschaftsrechtlichen Praxis regelmäßig auf verschiedenen Konten (feste Kapitalkonten kombiniert mit weiteren variablen Konten) aufgegliedert. Der Saldo der Kapitalkonten bildet den Kapitalanteil eines Gesellschafters ab. Bei der konkreten Ausgestaltung gilt es weitgehende Gestaltungsfreiheit. In der Praxis sind das Zweikontensystem (Kapitalkonto I und Kapitalkonto II), das Dreikontensystem mit einem zusätzlichen Verrechnungskonto sowie das Vierkontensystem, in dem das Dreikontenmodell um ein Verlustvortragskonto ergänzt wird, üblicherweise vertreten. Daneben kann zusätzlich ein für alle Gesellschafter gesamthänderisch gebundenes Rücklagenkonto geführt werden.
Rz. 345
Nach der Höhe des Festkapitals richten sich regelmäßig Vermögensrechte, insbesondere die Beteiligung der Gesellschafter am Ergebnis der Personengesellschaft sowie an einem Auseinandersetzungsguthaben. Gleiches gilt für Verwaltungsrechte, wozu insbesondere das Stimmrecht zählt. Das Kapitalkonto I bemisst sich nach der Höhe der ursprünglichen Einlage, die durch Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder zulässigen Mehrheitsbeschluss erhöht oder verringert sein kann. Um das Kapitalkonto I auf einem festen Niveau belassen zu können, müssen weitere Vermögensvorgänge (Gewinn- und Verlustanteile sowie Einlagen und Entnahmen) auf anderen Konten (Kapitalkonto II und Unterkonten) erfasst werden.
Rz. 346
Das Kapitalkonto II und seine Unterkonten bilden als variable Konten ein ergänzendes Eigenkapitalkonto zum Kapitalkonto I. Die Untergliederung des Kapitalkontos II ermöglicht eine strikte Trennung von entnahme- und nicht entnahmefähigen Gewinnen sowie von Eigen- und Fremdkapitalkonto. Auf dem Kapitalkonto II werden regelmäßig die nicht entnahmefähigen Gewinne sowie etwaige zusätzliche individuell zuordenbare Pflichteinlagen der Gesellschafter gebucht. Zugewiesene Verlustanteile mindern das Kapitalkonto II entsprechend. Die stehen gelassenen Gewinne werden dann auf dem Verrechnungskonto gebucht und quasi als temporäre Darlehensgewährung der Gesellschafter an die Personengesellschaft behandelt. Insofern liegt ein reines Fremdkapitalkonto vor. Darüber hinaus dient das Konto dazu, jederzeit fällige Ansprüche und Verbindlichkeiten zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter abzubilden. In das von den Gesellschaftern gemeinsam geführte gesamthänderisch gebundene Rücklagenkonto werden von der Gesellschafterversammlung beschlossene Rücklagen eingestellt.
Rz. 347
Die Abgrenzung zwischen Eigenkapital- und Fremdkapitalkonto richtet sich nicht nach der individuellen Kontenbezeichnung, sondern nach der materiellen Qualifikation der auf dem Konto erfolgten Buchungen. Soweit Verlustanteile auf dem jeweiligen Konto gebucht werden können und eine Verrechnung mit eventuell vorhandenen Guthaben möglich ist (Verlustdeckungsfunktion), handelt es sich bei dem Konto um ein (Eigen-)Kapitalkonto, anderenfalls um ein Fremdkapitalkonto. Indiziell wirkt weiterhin, ob das Konto im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters oder der Liquidation der Personengesellschaft in die Bemessung des Ausscheidens- bzw. Liquidationsguthabens einbezogen wird. Eine etwaige Verzinsung des Kontos sowie für das jeweilige Konto geltende Verfügungsbeschränkungen sind demgegenüber für die Beurteilung der Rechtsnatur eines Kontos nicht entscheidend.
Rz. 348
Eine Differenzierung zwischen Kapitalkonten und Fremdkapitalkonten ist notwendig, da nur die Kapitalkonten in den Eigenkapitalausweis i.S.v. § 264c Abs. 2 HGB eingehen und auf den Fremdkapitalkonten Forderungen und Verbindlichkeiten der Gesellschafter gegenüber der Personengesellschaft ausgewiesen werden. Aus steuerlicher Sicht ist die Unterscheidung für alle steuerlichen Normen erheblich, die auf das steuerliche Kapitalkonto abstellen. Beispielsweise können dazu genannt werden:
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Nur Buchungen auf einem Eigenkapitalkonto führen zu einer Gewährung von Gesellschaftsrechten |
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Nur Buchungen auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagekonto können bei beabsichtigter (steuerrechtlich) unentgeltlicher Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine Personengesellschaft angesprochen werden. |
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Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 15a EStG. |
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Positives Kapitalkonto bei der Anwendung von § 20 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG. |
Die fehlerhafte Verbuchung und steuerliche Abbildung von Geschäftsvorfällen auf den Kapital-konten kann daher weitreichende steuerliche Nachteile auslösen.