Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 205
Der Jahresabschluss besteht aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 242 Abs. 3 HGB). Die Bilanz ist eine stichtagsbezogene Zeitpunktrechnung, in der auf den Bilanzstichtag das Vermögen einerseits und das Eigen- und Fremdkapital andererseits einander gegenübergestellt werden. Deshalb lässt sich an der Veränderung des Eigenkapitals nur summarisch der positive oder negative Erfolg der jeweiligen Rechnungsperiode im Vergleich zur Schlussbilanz des Vorjahres ablesen. Demgegenüber ist die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV-Rechnung) eine Zeitraumrechnung. Aus ihr lässt sich entnehmen, auf welche Art und Weise sich Gewinn oder Verlust im Einzelnen ergeben haben. Damit ermöglicht sie einen Einblick in die Ertragslage des Unternehmens. Bilanz und GuV-Rechnung sind über das System der doppelten Buchführung miteinander verbunden, weshalb sich die Vorschriften zum Bilanzansatz und zur Bewertung auch unmittelbar auf den Inhalt der GuV-Rechnung auswirken.
Rz. 206
Für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften ohne Vollhaftung einer natürlichen Person verlangt § 275 Abs. 2, Abs. 3 HGB eine Mindestgliederung der GuV-Rechnung, soweit sich nicht aus branchenspezifischen Vorschriften eine abweichende Gliederung ergibt (Banken, Versicherungen) oder von der Verkürzungsmöglichkeit des § 276 HGB Gebrauch gemacht wird. Einzelkaufleute und die übrigen Personengesellschaften sind an die Gliederungsschemata des § 275 HGB nicht gebunden. Die GuV kann bei Kleinstkapitalgesellschaften verkürzt werden, da jene Gesellschaften gem. § 275 Abs. 5 HGB die Posten "sonstige Erträge" und "sonstige Aufwendungen" ausweisen dürfen. Bei diesen handelt es sich um Sammelposten, die mehrere Positionen der Staffelung der GuV nach § 275 Abs. 2 und 3 HGB zusammenfassen.
Beispiel
Bestandsmehrungen an fertigen und unfertigen Erzeugnissen, aktivierte Eigenleistungen, Zins- und Beteiligungserträge können bei Kleinstkapitalgesellschaften als "sonstige Erträge" ausgewiesen werden.
Rz. 207
Im Rahmen der verkürzten Gliederung sind keine Zwischensummen auszuweisen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei Kleinstkapitalgesellschaften eine Konzentration auf das Kerngeschäft erfolgt und der gesonderte Ausweis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, des betrieblichen Ergebnisses, des Finanzergebnisses und des außerordentlichen Ergebnisses daher nicht notwendig seien. Das Gliederungsschema der GuV bei einer Kleinstkapitalgesellschaft sieht daher wie folgt aus:
1. |
Umsatzerlöse, |
2. |
sonstige Erträge, |
3. |
Materialaufwand, |
4. |
Personalaufwand, |
5. |
Abschreibungen, |
6. |
sonstige Aufwendungen, |
7. |
Steuern, |
8. |
Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag. |
Rz. 208
Die GuV-Rechnung der Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften ohne Vollhaftung einer natürlichen Person ist in Staffelform nach dem Gesamtkostenverfahren oder nach dem Umsatzkostenverfahren aufzustellen (§ 275 Abs. 1 Satz 1 HGB). Einzelkaufleute und die übrigen Personengesellschaften können zwischen Staffelform oder Kontoform wählen.
Die deutschen GuV-Rechnungen werden traditionellerweise nach dem Gesamtkostenverfahren als Produktionserfolg zur Rechnung gegliedert. Beim Gesamtkostenverfahren werden allen in der Rechnungsperiode angefallenen Erträgen die Gesamtkosten gegenübergestellt, die bei Erbringung der Betriebsleistung angefallen sind. Es werden also anders als im Umsatzkostenverfahren nicht nur die Umsatzerlöse und die Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen in Bezug gesetzt, sondern es werden auch die Bestandsveränderungen an Halb- und Fertigfabrikaten und die anderen aktivierten Eigenleistungen gesondert berücksichtigt (§ 275 Abs. 2 Nr. 2, 3 HGB). Da im Gesamtkostenverfahren nach einzelnen Ertragsarten und Aufwandsarten gegliedert wird, ist erkennbar, durch welche Produktionsfaktoren der Aufwand verursacht worden ist.
Demgegenüber wird beim Umsatzkostenverfahren nicht nach Aufwandsarten unterschieden und die Aufwendungen ausschließlich auf die gewinnrealisierten Umsatzerlöse bezogen. Das Umsatzkostenverfahren gibt damit Einblick in die Kalkulationsstruktur des Unternehmens und zeigt die Erfolgsbeiträge der einzelnen Kostenbereiche auf. Da beim Umsatzkostenverfahren den Umsatzerlösen (ohne Erfassung der Bestandsveränderung) lediglich die Selbstkosten der abgesetzten Betriebsleistung gegenübergestellt werden, müssen Material- und Personalaufwand sowie die außerplanmäßigen Abschreibungen und steuerlichen Sonderabschreibungen im Anhang gesondert angegeben werden (§ 285 Nr. 8 HGB).