Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 47
Der Konzernabschluss hat im Gesellschaftsrecht lange Zeit ein Schattendasein geführt. Im Konzernabschluss ist die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der einbezogenen Unternehmen so darzustellen, als ob diese Unternehmen ein einziges Unternehmen wären. Rechtsfähig ist aber nicht die Unternehmenseinheit, sondern sind die einzelnen Unternehmensträger. Die Einheit ist eine Fiktion. Daraus hat die herrschende Auffassung lange Zeit gefolgert, dass der Konzernabschluss überhaupt keine Rechtswirkung entfalte, mithin rechtlich ein "Nullum" sei.
Rz. 48
Ein Konzernabschluss dient der Information. Eine unrichtige Darstellung ist nach § 331 Nr. 2 HGB strafbewehrt. Für zentrale gesellschaftsrechtliche Beziehungen, insb. für die Dividendenansprüche der Gesellschafter, ist er irrelevant. Hier kommt es allein auf den Einzelabschluss an. Von einer materiell-rechtlichen Wirkung des Konzernabschlusses kann man zumindest insofern sprechen, als z.T. bei Bedienung von Genussrechten an das Ergebnis des Konzernabschlusses angeknüpft wird oder eine Tantiemeregelung für Vorstandsmitglieder nicht am Jahresüberschuss der Konzernobergesellschaft, sondern am Konzernüberschuss ausgerichtet wird. Schließlich ist auf die Diskussion zu § 58 Abs. 2 AktG hinzuweisen. Teile des Schrifttums wollen diese Bestimmung zum Schutz der Aktionäre "konzerndimensional" interpretieren, indem Vorstand und Aufsichtsrat bei der Ergebnisverwendung auf Ebene der Konzernobergesellschaft nur über die Hälfte des Konzernüberschusses verfügen dürfen, sich also die in Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen anrechnen lassen müssten.
Rz. 49
Mit dem Transparenz- und Publizitätsgesetz vom 19.7.2002 nimmt nunmehr auch das Gesellschaftsrecht ausdrücklich Kenntnis vom Konzernabschluss. Zunächst hat der Aufsichtsrat gem. § 171 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht nur den Jahresabschluss, den Lagebericht und den Vorschlag über die Verwendung des Bilanzgewinns zu prüfen, sondern bei Mutterunternehmen i.S.d. § 290 Abs. 1, 2 HGB auch den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht. Billigt der Aufsichtsrat den Konzernabschluss nicht – was namentlich bei börsennotierten Gesellschaften die seltene Ausnahme ist – entscheidet über die Billigung die Hauptversammlung. § 171 Abs. 1 Satz 1 AktG erstreckt die externe Prüfungspflicht auch auf den Konzernabschluss (§ 297 HGB) und den Konzernlagebericht (§ 315 HGB). Folgerichtig hat auch der Abschlussprüfer an der Verhandlung über den Konzernabschluss teilzunehmen (§ 171 Abs. 1 Satz 2 AktG).
Durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz ist § 171 Abs. 2 Satz 5 AktG angefügt worden. Das hat zur Folge, dass der Aufsichtsrat auch zum Prüfungsergebnis hinsichtlich des Konzernabschlusses Stellung zu nehmen hat (§ 171 Abs. 2 Satz 4 AktG) und sich in seiner Schlusserklärung darüber aussprechen muss, ob er den vom Vorstand aufgestellten Konzernabschluss billigt oder nicht (§ 171 Abs. 2 Satz 5 AktG). Erfolgt keine Billigung, hat darüber die Hauptversammlung zu beschließen (vgl. § 173 Abs. 1 Satz 2 AktG).
Rz. 50
Der Konzernabschluss wird allerdings nicht festgestellt, weil es vergleichbarer Rechtswirkungen nicht bedarf, denn es bleibt unverändert dabei, dass allein der Einzelabschluss die Grundlage der Gewinnverwendung bildet. Mangels Feststellungsbeschlusses erübrigt sich auch die Frage der Anfechtbarkeit durch Aktionäre und der Nichtigkeit des Konzernabschlusses wegen schwerer inhaltlicher Mängel i.S.d. § 256 AktG.
Hinweis
Die Frage ist von nur eingeschränkter praktischer Bedeutung, da selbst die Nichtigkeit des Konzernabschlusses – anders als des Jahresabschlusses – nicht zur Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses führt.