Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 81
Die gesetzliche Buchführungspflicht trifft neben dem (Einzel-)Kaufmann, für den allerdings die neue Ausnahmeklausel des § 241a HGB eingreifen kann (näher dazu o. Rdn 14), sämtliche Personenhandels- und Kapitalgesellschaften als sog. Formkaufleute (vgl. § 6 HGB). Die Eigenschaft als Handelsgesellschaft ergibt sich
Rz. 82
Von der gesetzlichen Bilanzierungspflicht zu unterscheiden ist bei Gesellschaften die Frage, welche Personen für die Aufstellung des Jahresabschlusses konkret zuständig sind. Bei Personenhandelsgesellschaften und der KGaA sind dies die voll haftenden Gesellschafter. Bei der GmbH, AG und EWIV obliegen die Buchführungs- und Bilanzierungspflichten der Geschäftsführung bzw. dem Vorstand (§§ 41 GmbHG, 91 Abs. 1 AktG, 6 EWIV-AusfG). Dabei sind alle Mitglieder der Geschäftsführung und des Vorstandes zwingend für die ordnungsgemäße Buchführung und Bilanzierung verantwortlich. Das gilt in gleicher Weise für die Europäische Gesellschaft (SE), soweit sich deren Organisationsverfassung an der dualistisch strukturierten AG (Vorstand, Aufsichtsrat) orientiert. Beim monistischen System der Unternehmensleitung trägt zwar der Verwaltungsrat in Gesamtverantwortung im Außenverhältnis die Buchführungsverantwortung für die Europäische Gesellschaft (SE), doch fällt die Aufstellung des Jahresabschlusses im Verhältnis zur Europäischen Gesellschaft (SE) in den Verantwortungsbereich der geschäftsführenden Direktoren.
Rz. 83
Die Aufstellungsfristen hat der Gesetzgeber rechtsform-, größen- und branchenabhängig geregelt. Für Personenhandelsgesellschaften mit natürlichen Personen als Gesellschaftern beträgt sie im normalen Geschäftsgang sechs bis neun Monate (§ 243 Abs. 3 HGB), für kleine Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften ohne Vollhaftung einer natürlichen Person (vgl. § 264a HGB) beträgt sie im Normalfall sechs Monate (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB) und für große und mittelgroße Kapitalgesellschaften einschließlich Personenhandelsgesellschaften ohne Vollhaftung einer natürlichen Person sowie Gesellschaften, die dem PublG unterliegen, drei Monate (§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB, § 5 Abs. 1 Satz 1 PublG). Schließlich sieht § 336 Abs. 1 Satz 2 HGB für Genossenschaften eine Aufstellungsfrist von fünf Monaten im Regelfall vor. Der Jahresabschluss ist dann unter Angabe des Datums von den für die Aufstellung verantwortlichen Personen höchstpersönlich zu unterzeichnen (vgl. § 245 HGB).
Rz. 84
Die Buchführungspflicht beginnt bei Personenhandelsgesellschaften unabhängig von der Handelsregistereintragung in dem Zeitpunkt, in dem die Geschäftstätigkeit aufgenommen wird. Bei Kapitalgesellschaften und Genossenschaften kommt es nicht auf die Eintragung ins Handelsregister an, obgleich zu diesem Zeitpunkt erst die Gesellschaften als juristische Personen entstehen. Denn die noch nicht im Handelsregister eingetragenen Gesellschaften sind ab dem Zeitpunkt der Errichtung (Abschluss des Gesellschaftsvertrages bzw. der Satzung) als sog. Vorgesellschaft gesellschaftsrechtlich der juristischen Person bereits angenähert. Deshalb sind z.B. bei der (echten) Vor-GmbH die Vorschriften des GmbHG insoweit entsprechend anzuwenden, als sie nicht die juristische Person voraussetzen. Diese Wertung ist für das Bilanzrecht zu übernehmen. Deshalb beginnt die Buchführungspflicht bereits mit dem ersten buchungspflichtigen Geschäftsvorfall nach dem notariellen Abschluss des Gesellschaftsvertrages bzw. der Satzung. Da mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages bzw. der Satzung die Ansprüche auf Leistung der Einlagen und zumeist Kostenverbindlichkeiten ggü. dem Notar entstehen, ist im Ergebnis jede Vorgesellschaft buchführungspflichtig und hat eine Eröffnungsbilanz aufzustellen.
Mit Eintragung der Gesellschaften in das Handelsregister gehen die Buchführungsunterlagen automatisch auf den eingetragenen Rechtsträger über, weil eine Rechtskontinuität zwischen Vorgesellschaft und juristischer Person besteht. Es bedarf insb. nicht einer nochmaligen Eröffnungsbilanz auf den Zeitpunkt der Eintragung ins Handelsregister.
Rz. 85
Die Buchführungspflicht endet mit Beendigung des Abwicklungsstadiums, die Löschung im Handelsregister ist irrelevant. Sämtliche Handelsgesellschaften und eingetragene Genossenschaften werden durch die Auflösung nicht beendet, sondern in Liquidationsgesellschaften überführt (vgl. §§ 145 HGB, 161 Abs. 2 HGB, 65 ff. GmbHG, 264 AktG, 289 AktG, 83 GenG), die das ihnen verbleibende Vermögen auseinandersetzen müssen (§§ 155, 161 Abs. 2 HGB, § 72 GmbHG, §§ 271, 289 AktG, § 91 f. GenG). Erst wenn die Liquidation abgeschlossen ist, endet...