Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 93
Die Buchführung muss nach § 239 Abs. 2 HGB dokumentationstechnisch und inhaltlich richtig sein. Darin spiegelt sich der Grundsatz der Bilanzwahrheit wider. Gemeint ist nicht eine objektive Richtigkeit, da viele Normen vom Bilanzierenden ein bewusstes Abweichen von den tatsächlichen Verhältnissen gestatten. Entscheidend ist allein die sachliche Übereinstimmung mit dem Normsystem des Handelsbilanzrechts. Namentlich muss der Jahresabschluss gem. § 246 Abs. 1 HGB sämtliche Aktiva und Passiva (u.U. mit einem Erinnerungswert) enthalten, soweit gesetzlich nicht etwas Abweichendes vorgeschrieben ist. Die Ausübung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten entspricht damit dem Grundsatz der Bilanzwahrheit. Allerdings wird vor dem Hintergrund des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB die Ansicht vertreten, dass von den Wahlrechten nicht in einer Weise Gebrauch gemacht werden darf, die der dort formulierten Zielvorstellung zuwiderläuft.
Rz. 94
§§ 238 Abs. 1 Satz 2, 243 Abs. 2 HGB normieren den Grundsatz der Bilanzklarheit für Buchführung und Jahresabschluss. Subjektiver Maßstab für die Verständlichkeit ist der eines Bilanzkundigen. Verhindert werden soll eine verschleiernde Darstellung. Ergänzende Vorschriften für die äußere Form und die Art der Darstellung der Bilanz und GoB enthalten die §§ 266, 268, 275 HGB.
Rz. 95
Die Bilanzkontinuität ist ein unverzichtbares Element eines auf Ergebnisausweis angelegten Jahresabschlusses. In formeller Hinsicht verlangt dieser Grundsatz die Übereinstimmung von Eröffnungsbilanz eines Geschäftsjahres und Schlussbilanz des vorangegangenen Geschäftsjahres (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB). Materiell handelt es sich um dieselbe Bilanz, die allein aus buchhalterischen Gründen in Schluss- und Eröffnungsbilanz getrennt wird. Aus der formellen Bilanzkontinuität folgt die sog. Zweischneidigkeit der Bilanz. Die jeweiligen Bilanzansätze werden automatisch mit gegenläufiger Ergebnisauswirkung in späteren Rechnungsperioden fortgeführt. Dies führt zu einem automatischen Fehlerausgleich. Damit wird sichergestellt, dass der Gesamtgewinn periodenübergreifend korrekt erfasst wird. Bei Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften ohne eine natürliche Person als Vollhafter normiert § 265 Abs. 1 HGB ergänzend die sog. Darstellungsstetigkeit dergestalt, dass die Form der Darstellung und die inhaltliche Abgrenzung der Posten in den aufeinander folgenden Jahresabschlüssen beizubehalten ist.
Rz. 96
Für die Bewertung ordnet § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB den Fortführungsgrundsatz (going-concern) an. Danach ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Solange davon auszugehen ist, dass das Unternehmen fortgeführt wird, dürfen deshalb Aktiva und Passiva nicht mit Liquidationswerten angesetzt werden. Eine periodische Ergebnisrechnung ist ohne das Fortführungsprinzip nicht möglich. Das Anschaffungswertprinzip des § 253 HGB mit der Aufwandsverteilung auf die voraussichtliche Nutzungsdauer des Vermögensgegenstandes ist nur bei unterstellter Fortführung des Unternehmens stimmig. Der Fortführungsgrundsatz findet dort seine Grenzen, wo unter Zugrundelegung einer objektiven Fortführungsprognose das Unternehmen nicht mehr fortgeführt werden darf (gesetzliche Auflösungsgründe, Insolvenz) oder kann.
Rz. 97
Gerade in einer Unternehmenskrise kommt dem Going-Concern-Grundsatz des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entscheidende Bedeutung zu und kann Haftungsproblematiken begründen. Es spricht (unabhängig von einer Krise) so lange eine Vermutung für die Unternehmensfortführung, als nicht Umstände sichtbar werden, welche sie unwahrscheinlich erscheinen lassen oder zweifelsfreie Kenntnis von der Unmöglichkeit der Fortführung besteht. Die Fortführungsvermutung entfällt erst, wenn es objektiv fehlerhaft wäre, von der Aufrechterhaltung der Unternehmenstätigkeit auszugehen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Abkehr von § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB erforderlich ist, ist jedoch im Einzelnen umstritten. Der BGH hat sich in seinem Grundsatzurteil zur Steuerberaterhaftung bei der Aufstellung des Jahresabschlusses vom 26.1.2017 ausführlich mit dem Going-Concern-Grundsatz und den damit einhergehenden Pflichten des Steuerberaters bei der Erstellung des Jahresabschlusses auseinandergesetzt. Im Regelfall orientiert sich die Pflicht des Steuerberaters an dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck (vgl. § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB). Dieser besteht darin, dass sich der Steuerberater an den gesetzlichen Vorgaben des Handelsbilanzrechts orientiert. Der Steuerberater verletzt danach seine Pflichten aus dem ihm erteilten Auftrag, wenn er von den gesetzlichen Vorgaben abweicht. Dann ist der Jahresabschluss mangelhaft. Und von einem Verstoß gegen das Gesetz ist jedenfalls gesichert auszugehen, wenn eine Bilanzierung nach Fortführungswerten objektiv aus der ex ante Sicht ausscheidet.
Rz. 98
Für die laufende Bilanzierung gilt das Stichtagsprinzip. Stich...