1. Allgemeines
Rz. 158
Der Nachlass geht mit dem Erbfall auf den Erben über, unabhängig davon, ob dieser den Nachlass in seinem Bestand und Umfang kennt, § 1922 BGB. Um Risiken in Bezug auf die Haftung abschätzen und den Besitz von den zum Nachlass gehörigen Gegenständen ergreifen zu können, muss der Erbe wissen, was zum Nachlass gehört. Deshalb gewährt das Gesetz ihm einen Auskunftsanspruch gegen denjenigen, der die Erbschaft in Besitz hat oder hatte.
2. Inhalt der Auskunft
Rz. 159
§ 2027 BGB begründet die Verpflichtung, Auskunft zu geben
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über den Bestand des Nachlasses (dazu gehören auch Gegenstände, die dem Erbschaftsbesitzer als Voraus, § 1932 BGB, oder als Vorausvermächtnis, § 2150 BGB, zukommen sollen) und |
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über den Verbleib von Erbschaftsgegenständen einschließlich |
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der erhaltenen Surrogate (§ 2019 BGB) sowie |
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der gezogenen Nutzungen (§ 2020 BGB). |
Rz. 160
Über den Bestand des Nachlasses ist Auskunft durch Vorlage eines Verzeichnisses i.S.v. § 260 BGB zu erteilen. Geschuldet ist die Vorlage eines schriftlichen, übersichtlichen Verzeichnisses. Anzugeben ist allein der gegenwärtige Bestand.
Rz. 161
Sind Nachlassgegenstände körperlich nicht mehr im Nachlass vorhanden oder unauffindbar, so muss über ihren Verbleib Auskunft erteilt werden. Offenzulegen ist auch, ob und welcher Wertersatz hierfür in den Nachlass gelangt ist. Soweit die Auskunft auch den Verbleib von Erbschaftsgegenständen umfasst, kommt dies der Rechnungslegungspflicht nach § 259 BGB nahe. Daher kann die Vorlage von Belegen zusätzlich gefordert werden.
Rz. 162
Über den engen Wortlaut des § 2027 BGB hinaus umfasst die Auskunftspflicht im Einzelfall auch Gegenstände, die in zeitlicher Nähe vor dem Erbfall beiseite geschafft wurden. Nachforschungen zum Verbleib von Erbschaftsgegenständen sind aber nicht anzustellen.
Rz. 163
Hat der Erbschaftsbesitzer Geschäfte vor dem Erbfall oder auch danach geführt, so kann sich eine Konkurrenz mit Auskunftsansprüchen nach § 666 BGB, ggf. i.V.m. § 681 BGB ergeben.
3. Auskunftsgläubiger
Rz. 164
Inhaber des Erbschaftsanspruchs ist der Erbe, § 2018 BGB. § 2027 BGB bereitet diesen Hauptanspruch vor. Damit ist der wahre Erbe zugleich Berechtigter des Auskunftsanspruchs gegen den Erbschaftsbesitzer. Gibt es mehrere Miterben in Erbengemeinschaft, kann jeder einzelne den Anspruch – auch gegen den Widerspruch der anderen – geltend machen, allerdings nach § 2039 S. 1 BGB nur als Leistung an alle Miterben.
Rz. 165
Zum Kreis der möglichen Gläubiger des Auskunftsanspruchs zählen daneben jene, die den Erbschaftsanspruch kraft Amtes geltend machen können:
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Testamentsvollstrecker |
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Nachlassverwalter |
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Nachlassinsolvenzverwalter und |
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Nachlasspfleger. |
Rz. 166
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Als sonstige Gläubiger des Erbschaftsanspruchs kommen insbesondere in Betracht: |
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Nacherben ab Eintritt des Nacherbfalls |
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Pfandgläubiger des Erbteils eines Miterben |
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Erbeserben oder |
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Erbteilskäufer. |
4. Auskunftsschuldner
a) Fälle des § 2027 Abs. 1 BGB
Rz. 167
Nach § 2027 Abs. 1 BGB ist auskunftspflichtig, wer aufgrund eines ihm nicht zustehenden Erbrechts etwas aus der Erbschaft erlangt hat (Erbschaftsbesitzer). Wer als Miterbe ein über seinen Erbteil hinausgehendes Erbrecht beansprucht, kann Erbschaftsbesitzer hinsichtlich der Differenz sein. Nicht zur Auskunft verpflichtet ist dagegen, wer sich nur eines Erbrechts berühmt, ohne etwas erlangt zu haben.
Rz. 168
Mit dem Tod des Erbschaftsbesitzers geht eine noch nicht erfüllte Auskunftsverpflichtung auf dessen Erben als Nachlassverbindlichkeit über. Im Zweifel muss der Erbe sich die erforderlichen Kenntnisse dann noch selbst beschaffen. Hierzu der BGH:
Zitat
"Die Auskunftspflicht ist (…) insofern höchstpersönlicher Natur, als sie zu Lebzeiten des Verpflichteten grundsätzlich in Person erfüllt werden muss. (…) Daraus folgt aber noch nicht, dass die Auskunftspflicht mit dem Tode des Verpflichteten unterginge. Die gesetzliche Ausgestaltung der Universalsukzession bringt es mit sich, dass die Erbschaft als Ganzes mit dem Erbfall auf die Erben übergeht, und zwar einschließlich der Verbindlichkeiten, die vom Erblasser herrühren (§ 1967 BGB). (…)"
Dass der Erbe des Erbschaftsbesitzers im Allgemeinen geringere Kenntnis über den Umfang und den Verbleib der Erbschaft haben wird als sein Rechtsvorgänger, steht (der Vererblichkeit der Auskunftsverpflichtung) nicht entgegen. Vielmehr wird der Erbe sich in Fällen dieser Art anhand der für ihn erreichbaren Erkenntnismittel eigenes Wissen zu verschaffen oder sol...