Rz. 6
Es kommt vor, dass das Informationsbedürfnis der an einem Erbfall Beteiligten lediglich unzureichend oder gar nicht befriedigt wird. Das normierte Auskunftssystem des Erbrechts ist weder abschließend noch ausreichend. Vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung den Anwendungsbereich der Auskunftsansprüche erweitert und wendet die Normen, soweit nötig und möglich, analog an oder greift ergänzend auf § 242 BGB zurück.
Rz. 7
Zu den von der Rechtsprechung entwickelten erbrechtlichen Auskunftsansprüchen gehören im Einzelfall beispielsweise diejenigen
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des Nacherben gegen den Vorerben, ob freie Gelder mündelsicher angelegt worden sind (§ 242 BGB) |
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nichterbender Pflichtteilsberechtigter gegen den Erben über den Bestand und Wert des fiktiven Nachlasses (§ 2314 BGB) |
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des Nacherben gegen den Vorerben bzw. den Beschenkten wegen Schenkungen des Vorerben an Dritte (§ 2314 BGB analog) |
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des Vertragserben gegen den/die Erwerber wegen möglicherweise beeinträchtigender Rechtsgeschäfte, wenn die Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruchs nach § 2287 BGB hinreichend dargetan werden (§ 242 BGB); das gilt gleichermaßen für bindend eingesetzte Schlusserben gegen mutmaßlich Beschenkte |
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des aus einem echten Vertrag zugunsten Dritter ursprünglich Berechtigten gegen die Erben des Vertragspartners wegen einer etwaigen Änderung des Bezugsrechts |
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des weichenden Miterben gegen den Hoferben wegen der Bemessungsgrundlage eines ernstlich in Betracht kommenden Abfindungsanspruchs (§ 242 BGB) |
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des Testamentsvollstreckers, der die Nachlassauseinandersetzung vorzunehmen hat, gegen alle Miterben über ausgleichungspflichtige Vorempfänge aus § 2057 BGB |
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von Miterben gegeneinander bei disquotaler Teilungsanordnung bezüglich des Werts des dem anderen zugewiesenen Nachlassgegenstandes (§ 242 BGB) |
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des Vermächtnisnehmers gegen den/die Erben über den Bestand und Wert des Nachlasses, wenn dies zur Feststellung und Durchsetzung des Vermächtnisanspruchs notwendig ist (§ 242 BGB). |
Rz. 8
Eine auf § 242 BGB gestützte Auskunftsverpflichtung kommt trotz der vorsichtigen Öffnung der Rechtsprechung nach wie vor nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht. Der auf Treu und Glauben gestützte Auskunftsanspruch ist subsidiär und kann allenfalls ultima ratio sein.
Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB ist stets, dass
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die begehrte Information zur Vorbereitung eines auf Herausgabe oder sonstige Leistung gerichteten erbrechtlichen Anspruchs benötigt wird. Der auf § 242 BGB gestützte Auskunftsanspruch besteht aus diesem Grunde nicht, wenn der Berechtigte sich aus ihm zugängliche Unterlagen bereits selbst informieren kann. |
Weitere Voraussetzungen sind, dass
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zwischen dem Anspruchssteller und dem auf Auskunft in Anspruch Genommenen ein Rechtsverhältnis (Sonderbeziehung) besteht |
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der die Auskunft Begehrende unverschuldet über das Bestehen oder den Umfang seines etwaigen Anspruchs im Ungewissen (entschuldbare Informationslücke) ist |
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der Anspruchsgegner dagegen ohne Schwierigkeiten in der Lage ist, die gewünschte Auskunft zu erteilen (zumutbare Auskunftsmöglichkeit). |
Rz. 9
Hinweis
Die Kosten der auf § 242 BGB gestützten Auskunft werden nicht vom Nachlass, sondern vom Auskunftsberechtigten selbst getragen.