Rz. 32
Dagegen können gegenüber im Ausland wohnenden Zeugen oder Sachverständigen, die nicht freiwillig vor einem deutschen Gericht erscheinen wollen, keine Zwangsmaßnahmen ergriffen werden. In diesem Fall muss der Weg der internationalen Rechtshilfe beschritten werden. Nach § 363 ZPO kann die Beweisaufnahme hierbei durch ein ersuchtes ausländisches Gericht oder – wenig praxisrelevant – durch einen Bundeskonsul erfolgen. Alternativ kann das Gericht nach § 364 ZPO das Betreiben der Beweisaufnahme im Ausland auch dem Beweisführer überlassen; dieser Weg kann sich bei Beweisaufnahmen in Common-law-Staaten anbieten. So können etwa in den USA nach der sehr liberalen Rechtshilfenorm des 28 USC § 1782 auch die Parteien selbst einen Rechtshilfeantrag stellen.
Für die Durchführung eines Beweisrechtshilfeverfahrens sind neben bilateralen Abkommen vor allem die innerhalb der EU geltende Verordnung (EG) 1206/2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (EuBVO) i.V.m. §§ 1072 ff. ZPO sowie im Verhältnis zu Drittstaaten das Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18.3.1970 (HBÜ) relevant. Das HBÜ soll vor allem die erheblichen Unterschiede zwischen den Beweisbeschaffungsrechten der USA einerseits und den europäischen Staaten andererseits überbrücken (sog. transatlantischer Justizkonflikt). Die EuBVO baut inhaltlich auf den Regelungen des HBÜ auf und entwickelt diese für den europäischen Rechtsraum mit dem Ziel der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung weiter. Danach gibt es zwei verschiedene Wege der Beweisaufnahme: Zum einen erlaubt Art. 2 EuBVO den unmittelbaren Geschäftsverkehr zwischen den Gerichten; Art. 11 und 12 sehen hierbei Anwesenheitsrechte der Parteien sowie eines Beauftragten des ersuchenden Gerichts vor. Zum anderen kann das Prozessgericht nach Art. 17 EuBVO selbst die Beweisaufnahme in dem ausländischen Staat durchführen. Zwangsmaßnahmen dürfen jedoch stets nur die Gerichte des ersuchten Staates vornehmen (Art. 13, 17 Abs. 2 EuBVO). Das Rechtshilfeersuchen ist unverzüglich, spätestens aber binnen 90 Tagen nach Eingang nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats zu erledigen (Art. 10 Abs. 1 und 2 EuGVO). Die Erledigung eines Ersuchens kann nur aus bestimmten festgelegten Gründen abgelehnt werden; ein ordre public-Vorbehalt ist anders als im HBÜ nicht vorgesehen.
Rz. 33
Im eingangs geschilderten Beispielsfall ist eine Beweisbeschaffung im Ausland wenig aussichtsreich, da der betreffende Zeuge nicht bereit ist, vor dem deutschen Gericht auszusagen. Sofern er grundsätzlich aussagebereit sein sollte, wäre eine schriftliche Zeugenaussage denkbar, die im deutschen Verfahren vorgelegt werden könnte. Sie könnte aber dem Grundsatz der unmittelbaren Beweiserhebung widersprechen und wäre dann nur mit dem Einverständnis der Gegenseite möglich. Eine unmittelbare Zeugenvernehmung kann somit nur in Italien stattfinden, so dass der Rechtshilfeweg nach der EuBVO zu beschreiten wäre.