I. Überblick
1. Umfang der Angelegenheit
a) Tätigkeit auch in der Hauptsache
Rz. 1
Das Verfahren über die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe zählt nach § 16 Nr. 2 RVG zum Rechtszug und wird durch die dort verdienten Gebühren mit abgegolten. Der Wert richtet sich dann nur nach dem Wert der Hauptsache. Der Wert des vorangegangenen Bewilligungsverfahrens und der Wert des Hauptsacheverfahrens werden nicht zusammengerechnet (§ 23a Abs. 2 RVG).
Rz. 2
Auch dann, wenn mehrere Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeverfahren während desselben Rechtszugs stattfinden, werden sie durch die Gebühren der Hauptsache abgegolten, da mehrere Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeverfahren desselben Rechtszugs nach § 16 Nr. 3 RVG nur eine Angelegenheit darstellen, die ihrerseits wiederum nach § 16 Nr. 2 RVG zur Hauptsache zählen. Erfasst werden dabei nicht nur mehrere Verfahren auf Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe, sondern auch spätere Abänderungs- oder Aufhebungsverfahren nach §§ 120a, 124 ZPO.
Rz. 3
Beispiel 1: Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren als Teil der Hauptsache
Der Anwalt wird vom Beklagten beauftragt, ihn gegen eine Klage zu verteidigen. Der Anwalt bestellt sich und beantragt Klageabweisung. Gleichzeitig beantragt er, dem Beklagten unter seiner Beiordnung Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Der Anwalt hat sogleich die Gebühren in der Hauptsache verdient (Nrn. 3100 ff. VV). Damit ist auch die Tätigkeit im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren abgegolten (§ 16 Nr. 2 RVG). Eine gesonderte Vergütung erhält der Anwalt hierfür nicht.
Rz. 4
Beispiel 2: Überprüfungsverfahren als Teil der Hauptsache
Wie vorangegangenes Beispiel 1; dem Beklagten wird Prozesskostenhilfe bewilligt und der Anwalt beigeordnet. Nach Abschluss des Verfahrens werden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei gem. § 120a ZPO überprüft. Der Anwalt reicht daraufhin für die bedürftige Partei eine neue Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ein.
Auch das Überprüfungsverfahren löst keine neue Angelegenheit aus, sondern zählt zusammen mit dem Bewilligungsverfahren nach § 16 Nr. 3 RVG als eine Angelegenheit. Diese wiederum zählt nach § 16 Nr. 2 RVG mit zur Hauptsache und ist durch die dortigen Gebühren mit abgegolten.
Rz. 5
Eine gesonderte Vergütung kann allerdings im Falle des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG entstehen, wenn zwischen dem Abschluss des Verfahrens und der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens mehr als zwei Kalenderjahre liegen.
Beispiel 3: Überprüfungsverfahren nach mehr als zwei Kalenderjahren
Wie vorangegangenes Beispiel 2. Das Verfahren in der Hauptsache war im Jahr 2019 durch Urteil abgeschlossen worden. Das Verfahren auf Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse wird im März 2022 eingeleitet.
Da seit der Beendigung des Hauptsacheverfahrens in 2019 zwischenzeitlich mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind, gilt der weitere Auftrag im Prozesskostenhilfeverfahren nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG als neue Angelegenheit, der gesonderte Gebühren auslöst. Abzurechnen ist für dieses Verfahren nach den Nrn. 3335 ff. VV (siehe unten Rdn 13 ff.).
b) Tätigkeit nur im Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeverfahren
Rz. 6
Wird der Anwalt ausschließlich im Verfahren über die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe tätig, so erhält er hierfür eine gesonderte Vergütung. Allerdings erhält er auch hier in mehreren Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeverfahren desselben Rechtszugs die Gebühren nur einmal (§ 16 Nr. 3 RVG).
Beispiel 4: Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt
Der Anwalt beantragt für seine Mandantin Prozesskostenhilfe, ohne dass er bereits in der Hauptsache beauftragt ist. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Anwalt erhält nur die Vergütung für das Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Rz. 7
Beispiel 5: Antrag auf Prozesskostenhilfe wird stattgegeben, Beiordnung wird abgelehnt
Der Anwalt beantragt für seinen Mandanten Prozesskostenhilfe, ohne dass er bereits in der Hauptsache beauftragt ist. Prozesskostenhilfe wird bewilligt; allerdings wird die Beiordnung des Antrags abgelehnt, da diese nicht notwendig sei. Der Mandant führt den Rechtsstreit daraufhin selbst.
Auch jetzt erhält der Anwalt die Vergütung nur für das Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Rz. 8
Beispiel 6: Mehrfacher Antrag
Der Anwalt beantragt im Januar für seine Mandantin Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Rückzahlung eines Darlehns. Der Antrag wird zurückgewiesen, weil der Anspruch noch nicht fällig sei. Im Juni beantragt der Anwalt erneut Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rückzahlungsklage. Diesmal wird der Antrag zurückgewiesen, weil die Mandantin Vermögen hat, aus dem sie die Prozesskosten bestreiten könne.
Der Anwalt erhält die Vergütung für das Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur einmal (§ 16 Nr. 3 RVG).
2. Verfahren nach Teil 3 VV
Rz. 9
Wird der Anwalt in Angelegenheiten nach Teil 3 VV ausschließlich im Verfahren übe...